1994 eröffnete BMW in Spartanburg, USA, das erste außerdeutsche Werk, inzwischen werden dort X3, X4, X5 und X6 gebaut. Das 20-Jahr-Jubiläum verband man mit zwei Paukenschlägen

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Countdown: 20, 19, 18, 17, 16, 15, ... 0. Tusch, bumm, der Festakt zum 20-Jahr-Jubiläum des BMW-Werks Spartanburg ist eröffnet. Hinter dem vor Andrang schier aus den Nähten platzenden provisorischen Auditorium laufen die Bänder weiter, kein Kunde soll wegen so einer Feier auf sein Auto warten müssen, aber 20 Jahre Weltklasse-Produktion, wie der Hersteller sich selbst auf die Schulter klopft, wollen schon gebührend bedacht sein.

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Das sah auch das offizielle Amerika so und entsandte: Obamas Handelsministerin Penny Pritzker (Mitte) und die Gouverneurin von South Carolina, Nikki Haley (rechts).

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Das Wort hat Produktionsvorstand Harald Krüger. "Freude am Fahren made in America", skandiert er. Applaus. "Unser Daheim weit weg von der Heimat!" Tosender Applaus. Dann BMW-Chef Norbert Reithofer (Bild). "Wir schlagen ein neues Kapitel auf: Mit der Steigerung der Kapazitäten von 300.000 auf 450.000 entstehen 800 Arbeitsplätze zusätzlich zu den jetzigen 8000." Applaus. "Ende 2016 wird Spartanburg das größte BMW-Werk überhaupt sein." Applaus, Applaus. "Wir fühlen uns als echter Teil Amerikas!" Standing Ovations.

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Jetzt die Frau Minister, Penny Pritzker. Spricht von einem Schnappschuss der engen wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den USA und Deutschland" (Applaus) und richtet, warum nicht gar, eine "Botschaft an die Welt: Amerika ist offen für Business". Herein mit Investoren ins fortgeschritten deindustrialisierte Land. Applaus, Applaus.

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Gouverneurin Nikki Haley (rechts) war der klugen Dramaturgie Schlusskapitel, was gäbe man dafür, solch charismatische Politikerpersönlichkeiten in Österreich zu haben. "Vor 20 Jahren gab BMW uns eine Vision, die wir so dringend nötig hatten. Danke, danke, danke!" "Wir lieben Deutschland, aber Spartanburg ist nun die Hauptstadt von BMW." Standing Ovations, einmal mehr. So was nennt sich Höflichkeitskaskade.

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Die Zitatauswahl skizziert ein Geschehen, das zurückreicht bis ins Jahr 1992. Damals legte BMW den Grundstein für das Werk in Spartanburg, das erste außerhalb Deutschlands überhaupt, 1994 meldete es sich zum Dienst, seither liefen 2,6 Millionen BMWs vom Band, und keine Frage: Die Deutschen haben einer ganzen mehr oder weniger desolaten Region zu neuer Blüte verholfen.

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Selbstlos war das natürlich nicht, BMW hatte sich ganz genau ausgesucht, in welchen Bundesstaaten die starken Autogewerkschaften nichts zu melden hatten, und via Produktion in den USA umging man die bis dahin stets dräuende Gefahr, durch Währungsdisparitäten ganz schlimm auf die Schnauze zu fallen. Mercedes sah das ähnlich und nahm 1996 das Werk in Tuscaloosa, Bundesstaat Alabama, in Betrieb.

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Nähe zum Hauptmarkt gehört in dieselbe Argumentationskette - wobei das zunächst auf eine Jahreskapazität von maximal 100.000 ausgelegte BMW-Werk die Roadster Z3/Z4 (bis 2008) und den SUV X5 lieferte. Längst hat man umgruppiert und die X-Baureihen hier konzentriert (dass der X3 2010 aus Graz abgezogen wurde, schmerzt Magna noch heute).

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Und plötzlich wird aus X XL: Bis auf den X1 (Leipzig) werden sämtliche X-Modelle in Spartanburg gebaut, pünktlich zur 20-Jahr-Fete lief die Produktion des brandneuen X4 an, die Palette umfasst nun X3, X4, X5, X6. Und bald - nicht vor 2016, nicht nach 2020 war als einzige Präzisierung herauszukitzeln - kommt mit dem X7 ein SUV-Trumm dazu, das selbst X5/X6 klein aussehen lässt.

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Damit verliert 1.) der Mercedes GL sein Alleinstellungsmerkmal und fügt sich 2.) Reithofer (war 1997 in Spartanburg Werksleiter) den Vorstellungen seiner Marketing- und Vertriebsexperten, die ungeheure Nachfrage nach so einem X-Large-Typ orten, speziell in den USA und China. Wir erinnern uns: 2008 ward ein ähnlicher Vorschlag vom Vorstand negativ beschieden. Und 3.) kann die Entwicklung so eines X7 nicht die Welt kosten, er wird dem Vernehmen nach auf der Plattform der nächsten X5/X6-Generation aufbauen, ein parallel zum X7 entwickelter Rolls-Royce-SUV-Ableger gilt als nicht unwahrscheinlich, das verteilt die Ausgaben.

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Ebenfalls in der Pipeline ist die Plug-in-Version des X5. Führt in Summe dazu, dass statt der heutigen 300.000 ab Ende 2016 eine Jahreskapazität von 450.000 Autos zur Verfügung steht. Reithofer veranschaulichend: "Das ist einfach mal so die Größenordnung des Leipziger Werks obendrauf." Damit wird Spartanburg Dingolfing als größten Produktionsstandort des Konzerns ablösen.

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Für Österreich bzw. das Motorenwerk in Steyr spielt der Standort auch eine gewichtige Rolle. Bis Ende 2013 wurden dorthin 2,25 Millionen geliefert, allein im Vorjahr rund 210.000.

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Bei einer Million in Steyr produzierter Motoren sind das mehr als 20 Prozent. Umgekehrt ist BMW Spartanburg - wertmäßig und als Einzelmarke - inzwischen größter Automobilexporteur der USA, mit einem Ausfuhrvolumen von zuletzt 7,5 Milliarden US-Dollar (5,4 Mrd. €): 70 Prozent aller hier vom Band laufenden Autos werden in alle Welt exportiert. Applaus, Applaus ...  (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 4.4.2014)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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