Wenn diesmal die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern ohne Resultat zu Ende gehen, so wird das kein Scheitern wie früher sein. Bisher enthielt jeder Abbruch eine Aussicht auf Fortsetzung. Das wäre heute anders. Wenn diese Gelegenheit verstreicht, wird es in absehbarer Zeit keine bilateralen Gespräche über einen Palästinenserstaat mehr geben. Das Fenster für eine Zweistaatenlösung schließt sich.

Das "blame game" - das Zuschieben der Verantwortung an eine der beiden Seiten - ist eine beliebte Übung, aber sinnlos. Die Forderungen der Palästinenser und der Israelis waren zu hoch, die Israelis und die Palästinenser waren zu wenig zu geben bereit. Beide. Dass die vermittelnden Amerikaner mit einer eigenen Konzession, der Freilassung des israelischen Spions Jonathan Pollard, den Tag retten wollen, ist nur ein Zeichen der äußersten Hilflosigkeit.

Die ewigen gleichen kleinen Deals verlängern zwar vielleicht die Verhandlungen, freigelassene palästinensische Häftlinge sind ein Imagegewinn für den angeschlagenen Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, und ein freier Pollard ist ein PR-Sieg für den israelischen Premier Benjamin Netanjahu: Dem großen Wurf bringen sie die beiden Kontrahenten nicht näher.

Wenn der Traum der vollen eigenen Staatlichkeit für die Palästinenser platzt, kommen auch auf Israel viele Probleme zu. Die Kontrolle über das Westjordanland zu behalten, mit Ausnahme von ein paar isolierten Palästinenser-Bantustans, mag ein Traum der israelischen Rechten sein. In Wahrheit ist es ein Albtraum. Bisher hat Mahmud Abbas nur Konventionen unterzeichnet, noch bewegt er sich eher im Symbolbereich: Denn er weiß, was passiert, wenn er das Projekt der (begrenzten) Staatlichkeit durch Beitritt in Uno-Institutionen weiter verfolgt. Die USA werden der Palästinenserbehörde die Unterstützung entziehen - ob die EU sie allein aufrechterhalten will, wird sie sich überlegen müssen.

Ein Zusammenbruch der palästinensischen Behörden und Institutionen könnte zur Folge haben, dass der - nicht mehr durch Wahlen legitimierte - Abbas Israel quasi den Schlüssel für die Palästinensergebiete in die Hand drückt. Für Israel würde sich mehr ändern als für die Palästinenser. Die Frage ist, wie lange sich in einem binationalen Staat die Isolierung der Bevölkerungsmehrheit - denn das wären die Palästinenser - aufrechterhalten ließe. In einem Großisrael wäre die jüdische Identität die einer Minderheit. Tatsächlich gibt es immer mehr Stimmen für einen gemeinsamen Staat. Aber erstens ist es nicht das, was die Mehrheit beider Nationen will - und auf beiden Seiten gibt es dafür heute auch nicht das geeignete politische Personal. Denn hierfür brauchte es noch mehr Visionen und Führungsstärke als für die "kleine" Lösung: zwei Staaten nebeneinander.

Noch wollte US-Außenminister John Kerry nicht aufgeben - offenbar war auch er sich nicht sicher, ob der Schritt Abbas' ein taktischer war oder wirklich das Ende bedeutet. Vielleicht hilft es ja sogar, wenn beide Seiten nun in den Abgrund blicken, an dem sie stehen, noch einmal ganz kühl durchrechnen, was sie unten erwartet. Man kann verschiedene Szenarien durchspielen, die jeweiligen unilateralen Schritte des anderen und deren Folgen kalkulieren. Aber eines dürfte schwierig werden: den Status quo aufrechterhalten und so tun, als ob nichts geschehen sei. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 3.4.2014)