Cokristallstruktur des Enzyms MTH1 (rot bzw. pink) mit dem neu entdeckten Hemmstoff (S)-Crizotinib (blau). Links die Grundstruktur des Enzyms, rechts wird die Oberfläche plastisch dargestellt. Der Hemmstoff blockiert die sogenannte katalytische Tasche des Enzyms, wodurch dessen Aktivität unterbunden wird und die Krebszelle stirbt.

Foto: SGC Oxford/CeMM

Wien/Stockholm - Ein Enzym, das schnell wachsende Krebszellen beim Stoffwechsel vor oxidativem Stress schützt, könnte der Schlüssel zu einem neuen Behandlungsansatz von Krebs sein: Wie zwei Forschergruppen aus Wien und Stockholm aktuell im Fachjournal "Nature" berichten, weisen Tumorzellen eine Abhängigkeit von dem Enzym MTH1 auf. Wird das Enzym durch einen Hemmstoff blockiert, können dadurch beschädigte DNA-Bausteine zum Absterben der Zellen führen.

MTH1 ist eigentlich so etwas wie ein zelluläres Kontrollorgan. Bei der Vervielfältigung der DNA durch den Zusammenbau von Nukleotidbausteinen ist es entscheidend, dass diese unversehrt bleiben: Defekte Bauteile können die DNA schädigen und etwa Mutationen verursachen. Das Enzym MTH1 ist dafür verantwortlich, den Einbau defekter Bausteine in die DNA zu verhindern. Bei normalen Zellen kommt das Enzym nicht zum Einsatz, weil deren Nukleotide intakt sind. Bei Krebszellen hingegen führt der veränderte Stoffwechsel zu einer Schädigung der Nukleotidbausteine, das Enzym wehrt deren Einbau in die DNA ab - und ermöglicht damit das Überleben und die Vervielfältigung der Krebszellen. Und genau das gilt es, mittels medikamentöser Therapien zu verhindern.

Video: Youtube/Helleday Laboratory

Therapieansätze, die auf genetische Defekte in Krebszellen zielen, werden schon seit Jahrzehnten verfolgt. Oft stellen sich allerdings nach anfänglichen Erfolgen schnell Resistenzen ein. Wie das schwedische Forschungsteam um Thomas Helleday vom Karolinska Institutet berichtet, sei der nun identifizierte Enzymmechanismus für die Zellen aller untersuchten Krebsarten - Hautkrebs, Darmkrebs und Brustkrebs - notwendig, unabhängig von deren jeweiligen genetischen Veränderungen. In ersten Versuchen zeigte die Unterdrückung von MTH1 bei Mausmodellen mit menschlichen Tumoren, die bereits Resistenzen gegen derzeit erhältliche Medikamente aufwiesen, gute Ergebnisse.

Rasche klinische Studien

Eine für die Entwicklung medikamentöser MTH1-Blocker vielversprechende Entdeckung machte indes das österreichische Forscherteam unter der Leitung von Giulio Superti-Furga vom Wiener Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM): Sie fanden heraus, dass der seit geraumer Zeit als Kinasehemmer eingesetzte Arzneistoff Crizotinib in einer bestimmten Form, anders als bisher, als spezifischer MTH1-Blocker wirkt. Die nahe Verwandtschaft mit einem bereits zugelassenen Medikament lässt hoffen, das der neue Behandlungsansatz schon sehr bald klinisch untersucht werden könnte. In den Worten Superti-Furgas: "Doppelter Jackpot!" (David Rennert, DER STANDARD, 3.4.2014)