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Der frühere Spitzenfunktionär Zhou.

Foto: EPA/ANINDITO MUKHERJEE

Peking - Rote Schutzgitter wurden vor den fünf Gerichten der Stadt Xianing in Hubei aufgebaut. Tief in der zentralchinesischen Provinz begannen in dieser Woche unter starken Sicherheitsvorkehrungen gleichzeitig mehrere Aufsehen erregende Prozesse gegen 36 mutmaßliche Schwerstverbrecher der sogenannten "Hanlong-Bande". Es sei die "größte Mafia-ähnliche Verbrechergruppe", der in der jüngsten Geschichte Chinas der Prozess gemacht werde, schrieb die Nachrichtenagentur Xinhua.

Die Anklage lautet auf neunfachen Mord sowie 20 weitere Schwerstverbrechen im Zeitraum seit 1993, vier der Angeklagten droht die Todesstrafe. An der Spitze der Bande standen die Brüder Liu als sogenannte Mafia-Bosse.

Angesehene Geschäftsleute

Nach außen sei der 43-jährige Liu Wei als angesehener Unternehmer in Guanghan erschienen, schreibt Xinhua. 2008 trug er für seine Region als Staffelläufer sogar die olympische Fackel. Doch er sei auch ein Kredithai gewesen, habe die Stadt terrorisiert, das Glücksspiel und die Bauaufträge kontrolliert. Sein 49-jähriger Bruder und Bergwerksbesitzer Liu Han galt bis zu seiner Festnahme als international bekannter Vorzeigeunternehmer der Privatwirtschaft und Philanthrop. Der Vorstandschef der 12.000 Mitarbeiter beschäftigenden Sichuan Hanlong Energiegruppe, die auch an Bergbauunternehmen in den USA und Australien beteiligt war, "kontrollierte mehr als 70 Tochtergesellschaften". Liu soll sich für seine krummen Geschäfte politischen Schutz erkauft haben.

Bis kurz vor ihrer Festnahme im März 2013 hatten die Brüder "ein Netzwerk an korrupten Beamten durch Bestechung, Hilfe bei Beförderungen und Versorgung mit Rauschgift geknüpft", heißt es in der Anklageschrift. Doch Chinas staatliche Medien fragen sich, wie die Brüder ihre Machenschaften ungestört verfolgen konnten, ohne dass die Provinz-Behörden, oder gar die Zentralregierung einschritten.

Das Paar habe höchste Protektion durch die "graue Eminenz von Sichuan" gehabt, schreiben die Medien. Gemeint: Zhou Yongkang, einer der damals höchsten Parteifunktionäre Chinas, der Provinzchef von Sichuan, dann Polizeiminister und von 2007 bis 2012 als Mitglied des Ständigen Politbüro-Ausschusses auch höchster Sicherheitsfunktionär Chinas war. Den Namen Zhou dürfen sie noch nicht nennen, aber sie stoßen ständig auf den heute 71-Jährigen, der seit acht Monaten im Hausarrest sitzen soll.

Milliardenvermögen beschlagnahmt

Mit der Mafiabande der Brüder Liu seien bisher 300 Funktionäre, Sekretäre, Sicherheitsbeamte und Industriemanager verhört oder festgenommen worden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters - bis hin zu direkten Angehörigen. Ein Milliardenvermögen sei beschlagnahmt worden.

Der Prozess gegen die Brüder Liu ist ein Schritt in der lange erwarteten juristischen Abrechnung mit dem Ex-Polizeizaren Zhou. Ein zweiter erfolgte in der Nacht auf Dienstag. Xinhua gab die ebenfalls lang erwartete offizielle Anklage gegen noch einen bisher unberührbaren "Tiger" bekannt: den schon im Jänner 2012 festgenommenen Gu Junshan, früher Vize-Beschaffungs- und Logistikchef der Armee. Der 57-Jährige, der auch das Immobilienwesen der Armee kontrollierte, wird von einem Militärtribunal abgeurteilt. Auch ihm droht die Todesstrafe. Er soll der Korruption, Bestechung, Unterschlagung und des Machtmissbrauchs beschuldigt sein.

Der Global Times zufolge ist Gu seit 2006 der ranghöchste Militär, der sich vor Gericht verantworten muss. Gegen Gu war mehr als zwei Jahre lang ermittelt worden. Bei seinem Amtsantritt vor rund einem Jahr hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping einen verschärften Kampf gegen die Korruption angekündigt, von dem auch ranghohe Funktionäre nicht verschont bleiben sollen. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 2.4.2014)