In Frankreich streiten sich die bürgerliche und die extreme Rechte um den Wahlsieg. Beide haben am Sonntag im zweiten Durchgang der Gemeindewahlen nachgedoppelt. Die konservative UMP eroberte über 150 größere Orte, der Front National von Marine Le Pen deren elf. Früher undenkbar, erhalten die feschen Frontmänner – Frauen sind keine unter den elf neuen FN-Bürgermeistern – gerne 40 oder 45 Prozent der Stimmen.

Ihr Vormarsch in Städten mit hoher Armut und Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein Symptom für die Wirtschafts- und Sozialkrise Frankreichs. Er offenbart zunehmend auch eine politische Krise, wirft er doch das von Charles de Gaulle 1958 ausgedachte Zweiparteiensystem der Fünften Republik über den Haufen. Und wenn der Front National bei den Europawahlen im Mai wie vorhergesagt zur stärksten Partei Frankreichs aufsteigen sollte, ist eine Staatskrise nicht mehr weit.

Der eigentliche Wahlverlierer, der sozialistische Präsident François Hollande, dürfte nun die Regierung umbilden, um zu bemänteln, dass er den politischen Kurs nicht ändern kann: Einen Rechtsschwenker zugunsten der Wirtschaft verhindert der zunehmend ungeduldige Linksflügel seiner Partei, eine Aufgabe der Sparpolitik hingegen Brüssel beziehungsweise Berlin.

So kämpfen sich Hollande und Frankreich durch die Krise, während die soziale Spannung auf beunruhigende Weise steigt. Die Frage ist, wie sie sich entladen wird. Vermutlich nicht mehr wie früher mit einem roten Volksaufstand; jetzt droht eher eine schleichende "nationale Revolution" von rechts, ausgerufen von Marine Le Pen. Ihr gegenüber steht König Hollande ziemlich nackt da. Die Konservativen übersehen in ihrem Wahltriumph, dass sie keinerlei Anlass haben, sich darüber zu freuen. (Stefan Brändle, derStandard.at, 31.3.2014)