Bild nicht mehr verfügbar.

Michail Saakaschwili im Dezember 2013 auf dem Maidan-Platz in Kiew.

Foto: Reuters/Fedosenko

Er vaziert in Europa und jenseits des Atlantiks, bei der Jahrestagung des German-Marshall-Funds in Brüssel, wo auch seine innenpolitischen Gegner im Parkett saßen, und bei der neuen Führung in Kiew, Orange 2.0. Michail Saakaschwili (46) hat "keine Zeit für einen solchen Unsinn", so hat er der Staatsanwaltschaft zu Hause in Tiflis ausrichten lassen. Aber das Problem wird sich nicht von selbst auflösen. Letzten Donnerstag, 13 Uhr, verstrich die Frist für den früheren georgischen Präsidenten, sich beim Staatsanwalt einzufinden. Saakaschwili, Chef der von ihm gegründeten Partei Vereinigte Nationale Bewegung (ENM), ist zur Einvernahme vorgeladen – derzeit noch als Zeuge, aber das kann sich bald ändern.

Die strafrechtliche Abrechnung mit der früheren Machthabern in Georgien, abgelöst durch Parlamentswahlen 2012 und Präsidentenwahlen im Oktober 2013, irritiert die EU und die USA. Sie sehen den demokratischen Machtwechsel in der früheren Sowjetrepublik gefährdet, die doch NATO- und EU-Mitglied werden und im Juni den Assoziationsvertrag mit der Union unterschreiben will. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle twitterte: "Watching w/concern move (to) subpoena M. Saakaschvili. No one os above law but European practice&standards must be followed scrupulously."

Mord am Stadtrand von Tiflis

Bei Vano Merabischwili, dem langjährigen mächtigen Innenminister Saakaschwilis und Premier für einige Monate vor den Wahlen 2012, hat der Westen nur gemurrt. Merabischwili war vergangenen Februar zu neun Jahren Haft verurteilt worden wegen Veruntreuung und Erpressung und zu weiteren viereinhalb Jahren wegen der gewaltsamen Niederschlagung von Straßenprotesten in Tiflis im Mai 2011; damals starben zwei Menschen, zahlreiche wurden verletzt. Saakaschwilis Gefolgsmann hat noch ein Verfahren vor sich: den Mordfall Sandro Girgwliani. Der steht auch auf der Liste für Michail Saakaschwili, die die Staatsanwaltschaft aufgesetzt hat.

Girgwliani, ein 28-jähriger Angestellter der Georgian United Bank, war 2006 nach einem nächtlichen Streit mit führenden Leuten aus dem Innenministerium in einem Café in Tiflis – es ging angeblich um eine Dame – am Stadtrand erschlagen aufgefunden worden. Vier Beamte des Ministeriums wurden dafür zu Haftstrafen verurteilt, aber der Verdacht war stets, dass sowohl Merabischwili wie der damalige Staatschef Saakaschwili die Hintermänner des Mordes schützen wollten. Der Fall Girgwliani zählt zu den ersten schwarzen Punkten, die in der georgischen Öffentlichkeit den Rückhalt für die "Rosenrevolutionäre" von 2003 untergruben.

Spekulationen über Tod

Der Tod von Surab Schwanja, Saakaschwilis erstem Regierungschef, machte den Anfang. Schwanja war im Februar 2005 tot in einer Wohnung in Tiflis aufgefunden worden, zusammen mit dem Vizegouverneur einer georgischen Region – so zumindest lautet die offizielle Version. "Ein tragischer Unfall", erklärte der damalige Innenminister Merabischwili Stunden später; ein Gasheizer soll defekt gewesen sein. Das Treffen der beiden Männer in der Wohnung war als "vertraulich" deklariert worden – eine Umschreibung für die angeblichen homosexuellen Neigungen Schwanjas. Dessen Familie, ebenso wie Saakaschwilis politische Gegner akzeptierten diese Version nie. Die Spekulationen über den Tod des ersten Premiers der Rosenrevolution verstummten deshalb nicht. Eine der Theorien zufolge habe der notorisch jähzornige Saakaschwili nach seinem Premier mit einem Aschenbecher geworfen und ihn dabei schwer im Gesicht verletzt, was Schwanjas Tod verursacht habe; danach sei der Regierungschef in die Wohnung verfrachtet worden ...

Saakaschwili soll zu diesen Fällen einvernommen werden und noch zu acht anderen, bei denen es um den Verdacht der Veruntreuung geht oder den erzwungenen Eigentümerwechsel bei einem populären Fernsehsender, der sich gegen den Staatschef gestellt hatte.

Aussagen über Skype

Der Umstand, dass die georgische Justiz gegen einen früheren Staatspräsidenten so viele Ermittlungen gleichzeitig anstelle, werfe Fragen auf, monierte das US-Außenministerium in einer Stellungnahme. Georgiens amtierender Premier Irakli Garibaschwili, ein langjähriger Mitarbeiter des Milliardärs Bidzina Iwanischwili, der nun hinter den Kulissen die Macht in den Händen hält, warnte bereits: Gegen Saakaschwili werde ein internationaler Haftbefehl ausgestellt, wenn der Expräsident nicht zum Termin bei der Staatsanwaltschaft erscheine. Garibaschwili wurde dann erklärt, dass Saakaschwili derzeit noch als Zeuge einvernommen werden soll, Haftbefehle aber nur gegen dringend Verdächtige ausgestellt werden können. Die Staatsanwaltschaft in Tiflis hat Saakaschwili unterdessen ein neues Angebot gemacht: Aussage über Skype. Eine Woche habe der ehemalige Präsident Zeit zum Überlegen. (Markus Bernath, derStandard.at, 31.3.2014)