Österreich kommt trotz matter Konjunktur und horrender Belastungen durch die Hypo-Auffanglösung finanzpolitisch wieder in die Gänge. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man sich die letzten Ratinghandlungen und die darauffolgenden Reaktionen vor Augen führt. Moody's bestätigte die Einschätzung für Kärnten, Standard & Poor's die Bonitätsstufe für Österreich. Finanzminister Michael Spindelegger und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser fühlen sich bestätigt. Wie schön für sie.

Dass der Frühling die Sinne betört, kommt ja nicht nur bei den Bürgern vor. Aber der Ausstoß von Glückshormonen durch Ratinganalysten und Regierende erscheint doch ein wenig hoch. Seit Standard & Poor's Österreich Anfang 2012 aus der AAA-Liga verstoßen hat, ist nicht gerade eine rasante Verbesserung der Situation eingetreten. Schon bevor der Hypo-Rucksack geschultert wurde, zeigte der Trend der Staatsschulden deutlich nach oben, mit der Last der Kärntner Bank werden sie die Quote von 80 Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich übersteigen. Das Defizit wurde seither nicht merklich gesenkt, obwohl in der Zwischenzeit zwei angeblich umfangreiche bis rekordhohe Konsolidierungspakete geschnürt worden sind.

Die Ratingagenturen kümmert das wenig. Sie blicken vorrangig auf die Europäische Zentralbank, die mit ihrer Bereitschaft zum Anwerfen der Notenpresse die Eurokrise deutlich kalmiert hat. Keine Frage: Die niedrigen Zinsen helfen den Staaten kurzfristig, doch sie nähren gleich einer Droge die gefährliche Illusion von fiskalischen Spielräumen. Und die Ratingagenturen träumen mit. Zweiter Beweggrund für verführerische Benotung ist das Konjunkturumfeld, das sich langsam bessern sollte, wenn nicht von der Krim neue Schockwellen ausgehen. Mit rotweißroter Eigenleistung hat das recht wenig zu tun.

Die Bürger interessiert ohnehin mehr, wann und wie sich das Land der Schuldenberge wieder in tiefere fiskalische Regionen begeben wird. Mit den bisher bevorzugten großmundigen Ankündigungen wird das nicht gelingen. Mit dem ständigen Drehen an der Steuerschraube auch nicht. Vielmehr läuft Österreich Gefahr, wegen der laufenden Belastungswelle den Wachstumsvorsprung in Europa zu verlieren. Der Konsum war dank hoher Abgaben und entsprechend dürftiger Reallohnentwicklung im Vorjahr schon negativ. Der höchste Zuwachs bei den Arbeitskosten in der Eurozone, der wiederum auf staatliche Zugriffe zurückzuführen ist, bedroht die noch relativ gute Beschäftigungslage und damit den Wohlstand.

Die Alarmzeichen werden geflissentlich übersehen: Bei den Staatsausgaben beispielsweise setzt das Land gerade zum Überholmanöver an, um Schweden hinter sich zu lassen. Doch während der hohe Staatsanteil in Skandinavien durch umfassende Zukunftsinvestitionen begründet werden kann, fließen österreichische Einnahmen in kaputte Banken, überholten Föderalismus, Pensionslöcher und dunkle Subventionskanäle. Mit einer Quote von 51,8 Prozent der Wirtschaftsleistung verteilt Österreich um sieben Prozentpunkte mehr als Deutschland. In absoluten Zahlen: gut 21 Milliarden Euro - und das jährlich.

Das sind die Sparpotenziale, die es zu heben gilt, um die Belastung wieder auf ein erträgliches Maß zu senken. Dazu bedarf es energischer Staatsreformen und keiner Entfesselungskünste oder Glückshormone. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 29.3.2014)