Man darf ruhig ein wenig sentimental sein: Früher war es um den deutschen Schlager eindeutig besser bestellt. Das mag daran liegen, dass bis zur letzten Hochblüte dieses Genres in den 1970er-Jahren die Musik noch als Handwerk betrachtet wurde, das nicht nur goldenen Boden hatte. Der Charme lag auch darin begründet, dass die Handwerker möglicherweise gern eine Pause einlegten, um sich entsprechend zu stärken. Das führte zu leicht verhatschten Liedern über das Durchhalten, Weitermachen und Zusammenstehen in schweren Zeiten.

Die Schlagersänger mit ihren dramatischen, aber gepflegten Jazzbeatle-Frisuren und in ihrer skurrilen Freizeitmode wirkten wie bunte Vögel, die sich in einem Bierzelt an die Rüscherlbar verirrt hatten. Die Künstler waren aber mit Makeln wie Silberblick, schlechten Zähnen oder in der Leibesmitte integriertem Schwimmreifen immer eindeutig als dem einfachen Volke zugehörig erkennbar. Im Schlager wurde der hässliche Deutsche ein wenig schön. Aber nicht zu viel.

Heute zählt Perfektion. Helene Fischer muss in diesem Zusammenhang als Speerspitze angesehen werden. Das Geschäft wurde möglicherweise nicht nur durch die deutsche Wiedervereinigung wiederbelebt. Auch die Tatsache, dass eine ausgebildete Musicalsängerin volkstümliche Elemente mit Popelementen verband, zählt zum Erfolgsrezept.

Helene Fischer hat jetzt den deutschen Musikpreis Echo für ihr Album Farbenspiel bekommen. Beste Schlagersängerin ist sie sowieso jährlich mit bisher fünf Millionen verkauften Tonträgern. Darüber konnte sie sich als diesjährige Moderatorin der Echo-Preisverleihung im öffentlich-rechtlichen Hauptabendprogramm ehrlich erstaunt geben. Ehrlichkeit ist im Schlager ein Wert, dessen Gültigkeit jedes Mal Anlass zur Spekulation gibt. Schließlich ist jedes Klischee immer auch wahr.

Helene Fischer kam 1984 in Sibirien als Kind von "Russlanddeutschen" zur Welt. Der Vater war Sportlehrer. 1988 übersiedelte die Familie nach Rheinland-Pfalz. Fischer wurde in Frankfurt diplomierte Musicalsängerin, 2005 hatte sie ihren ersten Auftritt als Solokünstlerin in der Fernsehshow Hochzeitsfest der Volksmusik. In der Sendung lernte sie den ebenfalls sehr blonden Florian Silbereisen kennen, seit 2008 ist sie mit ihm liiert. Manche zweifeln daran. Aber vielleicht ist sie ja auch in ihrem Privatleben so ehrlich, wie es das Publikum vom Schlager fordert. (Christian Schachinger, Album, DER STANDARD, 29./30.3.2014)