Fragt man Manager nach einer exakten Definition des Wesens jener Einheit oder Organisation, für deren Erfolg sie Verantwortung übernommen haben, so erntet man nicht selten nachdenkliches Zögern.

Erweisen sich doch Organisationen bei näherer Betrachtung als emergente Phänomene, die jedenfalls etwas anderes sind als die Summe der daran beteiligten Personen, Computer, Telefone oder Kopiergeräte. Frank Boos und Gerald Mitterer, beide erfahrene Berater und Trainer der Beratergruppe Neuwaldegg, unternehmen in ihrem neu erschienen Buch Einführung in das systemische Management den Versuch, ihre langjährigen Erfahrungen in der Begleitung von Managern und Unternehmen bei Lern- und Veränderungsprozessen in ein Handbuch für Führungskräfte zu gießen.

Ganz im Sinne der Tradition der systemischen Beratung werden damit beraterische Erfahrung und Wissen zur Selbstermächtigung von Managern in der betrieblichen Praxis bereitgestellt.

Es mag ein Zufall sein, dass dieses Buch gerade in einer Zeit erscheint, in der sich der Begriff Management in Aufarbeitung der Ereignisse der Finanzkrise einerseits selbst zu desavouieren droht, und andererseits Führungskräfte weltweit alle Hände voll zu tun haben, die Folgen epochaler, technischer und sozialer Veränderungsprozesse in ihren Organisationen zu bewältigen. Die Rahmenbedingungen für Managementprozesse und Entscheidungen nähern sich in ihrer Komplexität immer mehr einem Zustand, der mit dem Schlagwort der "VUCA-Welt" (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) umschrieben wird.

Herkömmlich geht nicht

Dieser Welt der Unwägbarkeiten und Paradoxien werden klassische Managementtheorien mit ihren impliziten Postulaten und Grundannahmen ebenso nicht mehr gerecht wie linear-kausale Erklärungsmuster. In komplexen Situationen sind die Folgewirkungen von Handlungen oder Entscheidungen nicht mehr berechenbar. Unter diesen Umständen erübrigt sich die Suche nach einer besten Möglichkeit, die als Fortsetzung des gängigen "management by laundry list" auch noch mit einem Berg von Zahlen zu unterlegen ist.

Die Autoren laden bildlich gesprochen dazu ein, einen Schritt zur Seite zu treten und damit einen neuen Blickwinkel zum Gegenstand der Tätigkeit von Führungskräften einzunehmen. Geleitet wird dieser Perspektivenwechsel durch aktuelle erkenntnistheoretische Positionen, durch Einbeziehung konstruktivistischer Erklärungsmodelle und Erkenntnisse der Evolutionsbiologie, der Kybernetik und der Systemtheorie. Dieser Perspektivenwechsel nimmt den Druck von der Person, von der linearen Steuerungslogik und von der Suche nach quantifizierbaren Entscheidungsgrundlagen und rückt Prozesshaftigkeit, Ganzheitlichkeit, Reflexion und den bewussten Umgang mit Komplexität in den Vordergrund.

Unterlegt werden die Analysen und Beschreibungen mit einer Vielzahl von Praxisbeispielen, wobei die Autoren auch nicht vor der Reflexion ihrer eigenen Organisation zurückscheuen. Ergänzt wird das Werk durch den Verweis auf vertiefendes Material auf der Website des Verlages. Zwischen Lektüre von Fachliteratur und Umsetzung in die Praxis liegt jedoch erfahrungsgemäß ein weiter Weg. All jenen Führungskräften, die sich durch dieses Buch inspirieren lassen werden, sei daher im Sinne des zweiten Gebotes der "Kybernethik" Heinz von Försters ergänzend zugerufen: If you want to know how it works, just do it! (Christian Reuer, LEADERSHIPSTANDARD, 29.3.2014)