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Die Helfer suchen in Oso noch immer nach Verschütteten.

Foto: REUTERS/Maj Tawny Dotson/Washington National Guard/Handout

Seattle - Fünf Tage nach dem tödlichen Erdrutsch im US-Staat Washington breitet sich unter den Rettern Resignation und Hoffnungslosigkeit aus. Auch am Donnerstag galt das Schicksal von 90 Menschen als ungeklärt - zuvor waren die Behörden allerdings von bis zu 176 Vermissten ausgegangen. Mehrere Zwölf-Stunden-Schichten hintereinander brachten viele freiwillige Helfer an die Grenzen ihrer Kräfte.

Bisher konnten sie 17 Leichen aus den teilweise zehn Meter hohen Schlamm- und Geröllschicht bergen. "Man hofft einfach, dass eine Familie aus dem Urlaub in Disneyland zurückkehrt und wir ihren Namen von der Liste nehmen können", sagte Eric Finzimer, einer der freiwilligen Helfer, der "Seattle Times". Finzimer geht davon aus, dass die nächsten Tagen sehr hart werden. Er rechnet damit, dass er später Albträume haben werde.

Feuerwehrchef Travis Hots bereitete die Angehörigen am Donnerstagabend (Ortszeit) darauf vor, dass wohl noch viel mehr Tote als die bisher geborgenen 17 Leichen gefunden werden: "Diese Zahl wird sich am Morgen sehr, sehr stark verändern", sagte er. Das Schicksal von 90 Menschen ist weiter unklar.

Am Donnerstag wurde auch die Leiche eines vier Monate alten Babys an die Gerichtsmedizin überstellt. Die kleine Sanoah war im Haus ihrer Großmutter, als der Erdrutsch das Gebäude am Samstag unter sich begrub, bestätigten Verwandte der Zeitung "USA Today". Helfer zogen die Leiche des Mädchens nur wenige Meter von der Stelle aus den Trümmern, an der sie am Sonntag ihre tote Großmutter gefunden hatten. Nun soll Sanoah neben ihrer Großmutter bestattet werden, sagte die Mutter des Mädchens.

Abholzungen möglicherweise Schuld

Als einen möglichen Grund für den Erdrutsch gibt die zuständige Umweltbehörde illegale Abholzung von bis zu 4.000 Quadratmetern Wald an. In den vergangenen zehn Jahren sei die Abholzung bestimmter Flächen genehmigt worden, heißt es in einer Mitteilung. Darüber hinaus seien jedoch auch Bäume in einer Zone gefällt worden, die den Hang stabilisieren sollte.

"Rund ein Hektar Wald wurde offensichtlich innerhalb der verbotenen Zone entnommen", teilte die Behörde mit. "Wir werden uns auf wissenschaftliche Expertisen verlassen, um die Ursache dieser Tragödie zu finden", sagte Aaron Everett, Leiter der Ermittlungen.

Überlebende berichten

Unterdessen berichten Überlebende von Alptraum-Szenen am Samstag, als die Katastrophe über sie hereinbrach. "Das Haus bewegte sich und wir wurden mit Schlamm bedeckt. Es dauerte nur 30 Sekunden, bis es wieder zum Stillstand kam, aber von unserem Haus blieben lediglich Trümmer übrig. Das Haus wurde 400 Meter fortgerissen", berichtete eine Überlebende dem TV-Sender CNN.

Die Einsatzkräfte gingen weiterhin Hinweisen und Anrufen von Angehörigen und Freunden nach, um den Verbleib von Bewohnern rund um den Ort Oso zu klären, sagte Einsatzleiter John Pennington. Allerdings sind die Angaben der Behörden über Vermisste nur sehr vage: So werden zusätzlich zu den 90 offiziell Vermissten 35 weitere Menschen "möglicherweise vermisst", fügte Pennington hinzu. Dies seien Personen, die Oso oft besuchten ohne dort zu wohnen

Rettung eines Vierjährigen

Die Zahl der Toten blieb zunächst unverändert: Neben den 17 aus den Trümmern geholten Leichen habe man einige weitere Opfer gesichtet, aber noch nicht geborgen, sagte der Einsatzleiter. Der Lokalsender King5 meldete 25 Tote, von denen acht oder neun noch nicht geborgen worden seien.

CNN zeigte am Mittwoch Hubschrauber-Aufnahmen von der dramatischen Rettung eines vierjährigen Buben, der am Samstag als einer der letzten Überlebenden in Sicherheit gebracht worden war. In dem Video ist zu sehen, wie ein Helfer den kleinen Jacob aus dem zähen Schlamm zieht und ihn an das Hubschrauberteam weiterreicht. "Er weinte nicht, er bewegte sich nicht. Er stand nur da und war ganz gefasst", sagte der Pilot Ed Hrivnak dem Sender. Der Bub war im oberen Stockwerk, als sein Elternhaus von dem Erdrutsch erfasst wurde. Die Mutter war auf der Arbeit, sie überlebte. Vom Vater und den drei Geschwistern fehlt jede Spur.

Schwere Regenfälle hatten die Schlammlawine am Samstag ausgelöst. 30 Häuser der kleinen Gemeinde wurden völlig zerstört. Über 200 Helfer, darunter Soldaten der Nationalgarde, durchsuchten weiter mit Spürhunden und Bulldozern den verwüsteten Landstrich. "Da sind Leichen unter Baumstämmen. Es ist ein langsamer Prozess", sagte Feuerwehrsprecher Steve Mason dem Sender King5. "Es sieht aus als wäre eine Atombombe explodiert", beschrieb ein freiwilliger Helfer den Unglücksort. (APA, 27.3.2014)