Kegelrobbe mit Kopfhörern.

Foto: ITAW

Hannover - Die Kegelrobbe (Halichoerus grypus) ist das größte in Deutschland freilebend vorkommende Raubtier. Die Robbenart gehört mit Schweinswalen und Seehunden zu den häufigsten marinen Säugetieren in der Nord- und Ostsee. Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts untersuchten Forscher der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) nun unter anderem die Auswirkungen von Unterwasserlärm auf die Meeressäugetiere. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie aktuell im Fachjournal "PLOS ONE".

"Wir müssen dringend mehr darüber erfahren, wie gut und in welchem Frequenzbereich Kegelrobben hören", sagt Erstautorin Ursula Siebert. "Die letzte wissenschaftliche Veröffentlichung dazu stammt aus dem Jahr 1975." Denn die Lärmbelastung im Meer nehme immer mehr zu: Schiffsverkehr, Bauarbeiten im Meer, Sprengungen, Schallkanonen, mit denen nach Erdöl gesucht wird, oder der Einsatz von Sonargeräten belasten die Tiere. Um die Auswirkungen des Unterwasserlärms auf die Tiere beurteilen zu können, benötigen die Wissenschaftler exakte Daten über das Hörvermögen der Kegelrobben.

Für ihre aktuelle Studie untersuchten die Forscher sechs Kegelrobben aus Aufzuchtstationen in Deutschland. Die größte Herausforderung war dabei, herauszufinden, ob die Tiere einen Ton wahrnehmen oder nicht. Die Wissenschafter sedierten die Kegelrobben kurz bevor sie ausgewildert werden sollten. Dann spielten sie ihnen Töne vor und maßen die Nervenimpulse, die von der Hörschnecke (Cochlea) an den Hörnerv weitergeleitet werden.

Möglicherweise über 20.000 Hertz

Da Robben im sedierten Zustand ihren äußeren Gehörgang verschließen, ist es nicht möglich, sie über Lautsprecher zu beschallen. "Wir haben deshalb speziell angepasste In-ear-Kopfhörer benutzt", erklärt der Biologe Andreas Ruser. Die Forscher fanden heraus, dass Kegelrobben in einem Frequenzbereich zwischen 1.000 und 20.000 Hertz hören können und in dem Bereich größer als 3.000 Hertz wesentlich sensitiver sind, als bislang bekannt war.

Zudem gibt es Hinweise, dass Kegelrobben auch über 20.000 Hertz hören können - bestätigt werden konnte dies aber noch nicht. "Mit dieser Methode können wir an wilden Tieren allerdings ausschließlich ein sogenanntes Luftaudiodiagramm erstellen, also nur Messungen an der Luft durchführen. Unter Wasser werden Schallwellen anders übertragen. Wir vermuten daher, dass Kegelrobben unter Wasser in noch höheren Frequenzen hören", so Ruser.

Diesen Unterschied wollen die Forscher nun mit trainierten Kegelrobben an der Süddänischen Universität in Odense untersuchen: Die Tiere sollen lernen, mittels einer festgelegten Reaktion zu signalisieren ob sie etwas hören: Zunächst über Wasser, dann unter Wasser. Den Kegelrobben sollen Töne unter kontrollierten Bedingungen an der Luft mittels Kopfhörern oder Lautsprechern und unter Wasser mittels Lautsprechern oder Hydrophonen vorgespielt werden. "Wir sind gespannt auf die weiteren Ergebnisse und hoffen auf belastbare Aussagen, inwieweit Robben von der zunehmenden Lärmbelastung in Nord- und Ostsee betroffen sind", so Siebert. (red, derStandard.at, 6.4.2014)