Das Bürogebäude in der Marxergasse 24 steht nicht mehr lange leer.

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Der Bedarf an leistbarem Raum in Wien - sowohl zum Wohnen als auch zur kreativen Nutzung - ist groß. Eine Möglichkeit, auf günstigem Raum Ideen und Freiräume zu erproben, sind Zwischennutzungsprojekte. Ein solches Projekt wurde nun in Wien von der Gruppe "Paradocks - Bridging Potentials" gegründet. Es befindet sich in einem leerstehenden Bürogebäude in der Marxergasse 24 im dritten Bezirk und kann bei einem Open House am Freitag zum ersten Mal besichtigt werden. Die Veranstaltung soll vor allem Interessierte anlocken, die auf der Suche nach Raum für ihre Projekte sind. Denn das Bewerbungsverfahren für die rund 65 zu vergebenden Studios hat gerade erst begonnen.

Heterogene Mischung

Bei "Paradocks" will man sich aber nicht nur auf die Kunst- und Kreativenszene fokussieren. "Wir haben das Projekt viel heterogener und breiter angelegt", sagt Initiatorin Margot Deerenberg. Die Stadt und Sozialgeografin hat unter anderem bei dem Projekt "Trust 111"  - derStandard.at berichtete - und im Ausland Erfahrungen im Bereich Zwischennutzung gesammelt.

Raum sucht Idee

Mit einem Open Call, also einem offenen Aufruf, will man nun alle ansprechen, die Raum für ihre Ideen benötigen. Das können unter anderem sowohl Designer, als auch Yoga-Lehrer, Programmierer, Organisationen oder Buchhalter sein. Durch die Durchmischung sollen zwischen Einzelnen Kooperationen entstehen und gemeinsam Projekte umgesetzt werden. "Wir wollen, dass die Leute ihre Erfahrungen und Fähigkeiten teilen. 'Paradocks' soll ein Brutplatz für verschiedene Projekte sein", sagt Deerenberg.

Auch bei der Zusammensetzung des fünfköpfigen "Paradocks"-Teams wurde darauf geachtet, Personen aus verschiedenen Teilbereichen an Bord zu holen. Mit Leonie Spitzer ist zum Beispiel eine Interior-Designerin dabei, Stephan Trimmel ist Politikwissenschafter und Social Designer. Veronika Kovacsova und Günther Lichtenberger sind für die Bereiche Fotografie, Manaement und Design verantwortlich.

Zwischennutzung und Aufwertung

Für die Zwischennutzung des leerstehenden Bürogebäudes wurden seit November vergangenen Jahres Verhandlungen mit dem Immobilienunternehmen Conwert geführt. Mindestens bis Ende 2015 dürfen nun 2000 Quadratmeter auf sieben Etagen bespielt werden. Ein Wegbereiter für Gentrifizierung, also dem Aufwertungsprozess eines Stadtviertels, soll "Paradocks" nicht sein: "Wir werden nicht instrumentalisiert, die Gegend ist ja bereits aufgewertet. Wir wollen mit dem Immobilienunternehmen und dem Hauseigentümer eine Kooperation eingehen und auf Augenhöhe agieren", sagt Deerenberg.

Auf der Website paradocks.at können Interessierte über ein Formular, in dem das eigene Projekt kurz vorgestellt werden soll, Anfragen für die Räumlichkeiten im "Paradocks" stellen. Neben den Studios in den oberen Etagen, kann im Erdgeschoß eine rund 600 Quadratmeter große Gemeinschaftsfläche genutzt werden. Dort sollen zum Beispiel Workshops oder Präsentationen stattfinden.

Think-Tank für Zwischennutzung

Neben Praxis soll bei "Paradocks" auch Theorie eine Rolle spielen. "Wir verstehen uns als Think-Tank für Zwischennutzung und haben Veranstaltungen zu dem Thema geplant", sagt Deerenberg. Bei diesen sollen unter anderem rechtliche Fragen, die im Zusammenhang mit Zwischennutzungen auftauchen, behandelt werden. "Es ist wichtig, Zwischennutzungen in Zukunft aus der rechtlichen Grauzone, in der sie oft angesiedelt sind, herauszubekommen", sagt Deerenberg.

Raum als kapitalistisches Produkt

Mit dem Namen "Paradocks" will man Kritik an der paradoxen Situation von leerstehenden Gebäuden üben. "Raum ist ein kapitalistisches Produkt geworden", sagt Deerenberg. Das führe zu leeren Köpfen und ungenütztem Talent. "Docks", das englische Wort für Hafen, soll für eine Umgebung stehen, in der unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen. "Die Leute sollen hier aneinander andocken."

Bislang habe es rund 50 Anfragen für die Nutzung der Räumlichkeiten gegeben. "Es gibt im Vornherein kein Konzept, dass hier nicht reinpasst - mit Ausnahme eines Partyraums oder einer Wohngelegenheit", sagt Deerenberg. Ausgewählt werden die Bewerber von "Botschaftern" aus verschiedenen Teilbereichen. Dies soll eine größtmögliche Heterogenität möglich machen.

Teilverantwortlichkeit der Stadt

Generell bedeute Zwischennutzung aber nicht immer günstig, sagt Deerenberg. Für die Nutzung des Gebäudes müssen die Betriebskosten bezahlt werden. Diese inkludieren aber neben den Studios auch Flächen wie den Gang.

Zudem wurde für das Projekt um Förderungen angefragt - auch bei der Stadt Wien. "Wir sind großteils von diesem Geld abhängig, eine Teilverantwortlichkeit liegt da sicher bei der Stadt", sagt Deerenberg. Sie wird sich dem Projekt hauptberuflich widmen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in ihre Disseration einfließen lassen. "Leider wird die Arbeit hinter einem Zwischennutzungsprojekt noch immer nicht als echte Arbeit angesehen." (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 26.3.2014)