Die Polarisation der Lichtteilchen wurde am Campus der University of Waterloo zeitgleich an drei Orten gemessen.

Foto: University of Waterloo

Die Verschränkung gilt als charakteristische Eigenschaft der Quantenmechanik. Mittlerweile zeichnen sich technologische Anwendungen dieses Phänomens ab, wobei die Nützlichkeit durch immer komplexere Verschränkungszustände erhöht werden kann. Wiener Physiker berichten aktuell im Fachjournal "PNAS" über die bisher komplexeste Verschränkung von Lichtteilchen - in mindestens 100 Dimensionen.

Bei der Quantenverschränkung bleiben zwei oder mehrere Teilchen auf scheinbar paradoxe Weise auch über große Distanzen miteinander verbunden. Dies erlaubt ihnen scheinbar, einander ohne Zeitverzögerung zu beeinflussen. Könnte man etwa zwei Münzen verschränken, hätte das bei einem Münzwurf folgende Auswirkungen: Sobald man nachsieht und eine Münze Kopf zeigt, liegt augenblicklich auch bei der anderen Münze Kopf oben - auch wenn diese beliebig weit entfernt ist.

Bei Münzen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Kopf oder Zahl. Es würde sich daher um eine zweidimensionale Verschränkung handeln. Könnte man Spielwürfel verschränken, wäre es - wegen der sechs Möglichkeiten - eine sechsdimensionale Verschränkung.

"Wesentlicher Fortschritt"

Einem Forscherteam um Anton Zeilinger vom Institut für Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Universität Wien ist es nun gelungen, Lichtteilchen (Photonen) mindestens 100-dimensional zu verschränken. "Man kann sich das wie zwei Würfel vorstellen, die mindestens 100 unterschiedliche Seiten haben und trotzdem beim Wurf immer die gleiche Augenzahl zeigen, wobei die einzelnen Würfel vor der Messung keine definierte Augenzahl haben", sagte Mario Krenn, Erstautor der Arbeit und Doktorand in Zeilingers Gruppe.

"Dass wir erstmals einen solchen Grad an Komplexität mit zwei Photonen erreicht haben, ist ein wesentlicher Fortschritt, nicht zuletzt hinsichtlich praktischer Anwendungen", erklärte Zeilinger in einer Aussendung. So werden etwa Verschränkungszustände von Photonen in der Quantenkryptographie dazu genutzt, verschlüsselte Nachrichten so gegen Lauschattacken zu schützen, dass ein ungewünschter Zugriff auf die übermittelten Informationen praktisch unmöglich ist. Dabei sind nach Angaben der Wissenschafter Verschränkungszustände umso nützlicher, je komplexer sie sind.

Abgesehen von möglichen technologischen Anwendungen wollen die Physiker mit der kontrollierten Erzeugung von hochkomplexen Zuständen auch grundlegende Aspekte der Quantenmechanik tiefer erkunden. So sei etwa nicht geklärt, "ob die Menge an Information, welche räumlich getrennte Teilchen durch Verschränkung teilen können, fundamental beschränkt ist", so Krenn.

Messungen an unterschiedlichen Orten

Ein zweites Forscherteam um Gregor Weihs vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck hat indes einen anderen Ansatz verfolgt: Gemeinsam mit Kollegen der University of Waterloo (Kanada) verschränkten die Physiker drei Photonen und konnten diesen Zustand erstmals völlig unabhängig voneinander an mehreren hundert Meter voneinander entfernten Orten messen. Dies berichten sie aktuell in "Nature Photonics".

Dazu wurden in einem aufwendigen Versuchsaufbau an der University of Waterloo zwei der drei Photonen an rund 700 Meter entfernte Messstationen geschickt, das dritte wurde am Ort der Photonenquelle gemessen. Die Messung der Polarisation der Lichtteilchen, also ihrer Schwingungsrichtung, erfolgte gleichzeitig an allen drei Orten, und zwar völlig zufällig, wofür jeweils ein Zufallsgenerator sorgt. Dieser Versuchsaufbau sollte "Schummeln" unmöglich machen.

"Damit wollen wir verhindern, dass das Messergebnis eines Photons irgendwie zu einer der anderen Messstationen übertragen wird und damit das Messergebnis beeinflusst", so Weihs. Denn so wäre das Verhalten der Photonen mit den Regeln der klassischen Physik erklärbar. Doch wie schon in vielen anderen Versuchen auch zeigte sich die Quantenmechanik in dem Experiment als robust. "Die Verschränkung der Photonen war statistisch klar nachweisbar", so Weihs. (APA/red, derStandard.at, 24.3.2014)