Der Plan hatte anders ausgesehen. Ganz anders. Aber der Husten und sein grippales Gefolge waren zäher als erwartet. Den Unterschied zwischen "sich gesund fühlen" und "gesund sein" erkennt man bei der richtigen Versuchsanordnung leicht. In der Regel genügt es, in ein Flugzeug zu steigen: Die x-fach umgewälzte Luft plus dem - und sei er noch so gering - Klimawechsel zeigt ganz rasch, wo man steht. Oder liegt. Oder liegen sollte.

Das ist an sich blöd. Aber besonders deppert, wenn das Ziel ein pipifeines griechisches Luxusresort auf dem südwestlichen Peloponnes ist: In Messinien, der Gegend rund um Kalamata, liegen die Leute schon am Strand. Oder gehen - kurz - ins Meer. Und auch wenn ich daran nicht gedacht hatte, war die Aussicht darauf, in Costa Navarino ein paar superfrühlingshafte Golfplatzrunden zu laufen, vielversprechend gewesen.

Foto: Thomas Rottenberg

Die griechische Zentrale für Tourismus und Niki/AirBerlin hatten zur Pressereise geladen und die Kollegin von einem Tourismus-Fachblatt hatte mich gebeten, einzuspringen. Möge mir nie etwas Schlimmeres passieren als vier Tage Griechenland im Fünfsternehimmel! Noch dazu in einem Hotelkomplex, der für so ziemlich jeden Preis für nachhaltigen Tourismus und ressourcenschonenden Anlagenbau zumindest nominiert ist, die es in der Luxusliga gibt.

Foto: Thomas Rottenberg

Und: Die beiden Navarino-Golfplätze gelten als Vorzeigemodell dafür, dass man sogar im wasserarmen Süden mit vernünftigem Wassermanagement Greens und Driveways und Wasauchimmeresbeidiesemsportgibt umweltverträglich bewässern kann. Zumindest dann, wenn die Angaben der Betreiber stimmen.

Foto: Thomas Rottenberg

Ich liebe Golfplätze. Ich spiele aber nicht Golf. Nicht wegen der abgeschmackten "noch Sex - noch nicht Golf"-Wuchtel, sondern weil mir Zeit und Geld fehlen, um die Überlegung, es überhaupt einmal zu versuchen, aufpoppen zu lassen. Komisch anziehen kann ich mich auch ohne exorbitanten Clubbeitrag. Und an der frischen Luft bewege ich mich lieber anders, als mit einem Elektrowagerl in einer Teletubbylandschaft.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber Golfplätze finde ich toll - zum Laufen: Auf Golfrasen zu laufen ist ein Traum. Barfuß. Schuhe in der Hand. Und - selbstverständlich - nur zu Randzeiten, zu denen niemand spielt. Blöderweise sind Golfplätze oft eingezäunt - zumindest sind nichtgolfende Spaziergänger dort eher nicht gern gesehen. Aber die paar Mal, wo ich bei Wellness- oder Seminaraufenthalten im Steirisch-Burgenländischen auf den Spazier- und Laufwegen quer durch die weitläufigen Golfanlagen gurkte, war das immer ein Hammer.

Denn nach ein paar hundert Metern beginnen die Zehen ihre neue Freiheit zu genießen. Ein überraschendes Gefühl. Schön. Befreit. Und am Golfrasen auch ohne Steine und Stacheln. Barfußlaufen für Warmduscher? Ja, na und?

Foto: Thomas Rottenberg

Golfplatzlaufen kann man natürlich auch in Griechenland - zumindest wenn die Golfplätze zum Hotelkomplex gehören. Der Haken? Siehe ganz oben: Husten, Schwächegefühl, Kopfschmerzen, Frieren. Also Mütze und Schal - bei 23 Grad. Nix laufen, obwohl auf dem Zimmer eine deppensichere Golfplatzlaufkarte lag.

Foto: Thomas Rottenberg

Dafür durfte ich golfschnuppern. Kurz. Themis Ginis, der 32-jährige Pro auf dem Platz, tat fast glaubwürdig so, als hätten Navarino-Marketingdame Eirini Portaliou, Griechenland-Touristiker Ioannis Rafalias und ich tatsächlich ein Gen für Golf. Ginis lobte, wenn wir den Ball trafen. Ginis lobte, wenn wir ihn nicht trafen. Ginis lobte, wenn wir Löcher hackten. Und setzte nur ganz, ganz selten ein "for the first time" hinter sein "very good".

Foto: Thomas Rottenberg

Spaßig war es: Auf einen harmlos-unschuldigen Ball draufzuhauen hat etwas. Vor allem, wenn das Ding dann tatsächlich 90 Meter fliegt. Die ballistischen Kurven von Golfbällen sind durchaus vielfältig und interessant. Und solange man mit einer 90-Grad-Streuung der Schläge leben kann, stellen sich sehr schnell echte Erfolgserlebnisse ein.

Foto: Thomas Rottenberg

Als reiner Golfzuseher fand ich bisher vor allem die Outfits lustig. Noch lustiger sind jedoch Golfgymnastik und Haltungsanweisungen. Ginis gab uns Einblicke in Etikette und Ballett: Nach einer halben Stunde beschlich mich der Verdacht, dass Golf ohne diesen Zinnober einfach zu einfach wäre.

Foto: Thomas Rottenberg

Das ist natürlich Blödsinn. Wie bei jedem Sport: Technische Finessen und Detailversessenheit bei der Bewegung kommen blutigen Laien fast überall aufgesetzt vor. Nur: Die Trainer haben recht - auch wenn es am Anfang wurscht ist, ob am Schluss das rechte Knie am linken Bein andockt, die Schultern parallel im richtigen Winkel zur Schusslinie stehen oder der Schläger hinter dem Kopf in der korrekten Position steht: "Is wurscht" gilt nicht. Wer Anfangs Fehler internalisiert, muss später mühsam und langwierig an Korrekturen arbeiten - das kenne ich vom Klettern, Skifahren und - erraten - vom Laufen.

Foto: Thomas Rottenberg

Im Vergleich zu Ioannis Rafalis hatte ich einen Vorteil. Wenn auch nur im Kopf. Jagdbogenschießen ist ein bisserl wie Golf mit Pfeil und Bogen. Deshalb hinterfragte ich im Gegensatz zum Tourismusexperten nicht, wieso es wichtig ist, nach dem Schlagen die Bewegung korrekt zu Ende zu führen - und in der richtigen Schlussposition zu verharren. Wer beim Bogenschießen glaubt, es sei egal ob und wie man sich nach dem Loslassen des Pfeiles bewegt, trifft nix: Schuss und Schlag sind mehr als der Moment des "Releases".

Foto: Thomas Rottenberg

Wieso? Dazu habe ich tausend Interpretationen gehört - und weiß es trotzdem nicht. Aber genau das macht es spannend: das meditative, ganzheitliche Element. Auch Laufen ist mehr als das Voreinandersetzen der Füße.

Ich war beeindruckt. Und verstand besser, wieso Golf für viele Menschen ähnlich magisch ist, wie Laufen für mich: Natürlich tritt man immer auch gegen Andere an. Aber in Wirklichkeit ist die einzige relevante Benchmark immer nur man selbst. Das Zusammenspiel von inneren und äußeren Parametern macht jeden Durchgang, jeden Schlag unique. Wenn der Kopf woanders ist, geht die Sache daneben. Das - nur das - ist sicher.

Foto: Thomas Rottenberg

Mir ging es in Griechenland mit meinen anderen Mitreisenden dann ein bisserl so, wie vielen Läufern mit mir. Oder mir mit tatsächlich guten oder erfahrenen Läufern: Nicht, dass ich mich für meine Performance geschämt hätte - aber ein bisserl winzig kam ich mir schon vor. Weniger wegen ihres Spiels, sondern vor allem wegen der Art, wie sie darüber sprachen. 

Nur: Darum geht es nicht. Keine Sekunde. Nicht beim Golfen. Nicht beim Laufen. Und auch sonst nirgendwo. Irgendwer ist immer besser als man selbst. Oder professioneller. Oder tut zumindest so. Oder war es einmal. Oder wird es irgendwann sein. Na und?

Foto: Thomas Rottenberg

Ob ich wieder Golf spielen werde? Es hat Spaß gemacht, aber angefixt bin ich nicht.

In jedem Fall ist es aber leichter, mit einer starken Verkühlung ein bisserl Golf zu schnuppern, als endlich mit dem Intervalltraining für den Vienna City Marathon zu beginnen. Denn Mitte April in einer für mich akzeptablen Zeit zu laufen kann ich mir jedenfalls abschminken. Aber das ist eine andere Geschichte. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 26.3.2014)

Die Reise nach Griechenland war eine Einladung der Griechischen Zentrale für Tourismus und von Niki/Air Berlin.

Foto: Thomas Rottenberg