Es muss eine Kurzschlussreaktion gewesen sein, die den türkischen Premier Tayyip Erdogan dazu bewogen hat, Freitag früh den Nachrichtenkanal Twitter abdrehen zu lassen. Die Aktion wird nicht nur Erdogans Gegner und Kritiker treffen, sondern für Empörung in weiten Teilen der Bevölkerung sorgen. Denn es sind immerhin ganze 40 Prozent der türkischen Internetnutzer, die Twitter aktiv und passiv verwenden. Zum Vergleich: In Österreich machen das nur 1,7 Prozent.

Erdogans Trotzreaktion, die eher an ein kleines Kind erinnert als an einen Premier, der sein eigenes politisches Schicksal zu steuern imstande ist, könnte sich für ihn zum Selbstläufer entwickeln. Denn dass die Sperre nicht mehr als eine symbolische Drohung ist, zeigte Erdogans Parteifreund, der türkische Präsident Abdullah Gül, als er sich nur Stunden nach dem Einsetzen der Blockade auf Twitter kritisch dazu äußerte. Dass Internetsperren binnen kürzester Zeit mittels VPN-Zugängen umgangen werden können, dürfte aber selbst Erdogan gewusst haben.

Sollte der Dienst in den nächsten Tagen wieder aufgedreht werden, wird es kein Halten mehr geben. Neben den Korruptionsskandalen wird Erdogan dann auch für seine Beschneidung der Informationsfreiheit, die mehr an China oder den Iran als einen möglichen EU-Beitrittskandidaten erinnert, unter Dauerbeschuss geraten. Keine wünschenswerte Situation kurz vor den Kommunalwahlen. (Teresa Eder, DER STANDARD, 22.3.2014)