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Jedes Jahr zu Saisonbeginn gruppieren die Souvenirverkäufer von Santorin ihre faustgroßen Tonhäuschen zum Bilderbuch-Szenario.

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Infos: Flüge ab Wien mit Niki / Air Berlin ab Mitte April, ab rund 180 €. Mehrmals täglich mit Aegean Airlines von Athen aus, oneway ab rund 75 €. Übernachtung: Hotel Perivolas Traditional Houses ab 375 €; im Höhlenhotel Lauda ab 80 € pro Zimmer und Nacht. Weitere Infos: www.visitgreece.gr

Jedes der Gebäude ist verschachtelt, hat strahlend weiße Wände, dazu die Andeutung von Blumenkisterln unter den Fenstern. Jedes hat eine hellblau lackierte Kuppel, und von oben betrachtet ist all das schönstes Bilderbuch-Griechenland. Manchmal greift eine Hand nach der einen oder anderen Kuppel und sortiert das Szenario neu - oder klebt noch schnell ein neues Preispickerl auf die Unterseite der kaum zwanzig Zentimeter hohen Häuschen.

Noch ist nicht viel los bei Giorgios Kakidakis in Oia auf Santorin, noch verkauft er keine fünf der faustgroßen handbemalten Häuser aus Ton am Tag. Denn noch ist kaum einer da - die Vorsaison auf den Kykladen ist die Ruhe vor dem Sturm auf eine Bilderbuch-Insel mit Vorzeigestädtchen wie Oia hoch oben auf der Steilküste. Ein paar Wochen dauert es noch, bis wieder jeden Tag gleich mehrere Kreuzfahrtschiffe vor der Insel Anker werfen und ihre Passagierhundertschaften in Beibooten an Land tendern. Und auch die meisten Charterflüge werden erst wieder Anfang und Mitte Mai aufgenommen.

Auf den griechischen Inseln ist die Saison von jeher kürzer als anderswo im Mittelmeer, sie beginnt später und endet früher. Den Sprung zum Ganzjahresziel haben die Eilande bislang nicht geschafft - weil die Ägäis rauer ist als manch anderer Winkel Südeuropas. Weil es hier gewaltig stürmen und kalter Wind durch die Gassen pfeifen kann. Mitte Oktober werden die Gehsteige raufgeklappt, und erst ab Ende April geht es in kleinen Schritten wieder los.

Zeitloses entstauben

In der Zwischenzeit sind die Einheimischen fast ganz unter sich, streichen Fassaden wieder in Weiß, Fensterläden in Blau - und entstauben die zeitlosen Mitbringsel-Ladenhüter der letzten Saison, die mit ziemlicher Sicherheit im bevorstehenden Sommer über den Verkaufstisch gehen werden. Die Aussichten sind nämlich überraschend gut: Schon letztes Jahr boomte der Griechenland-Tourismus, und die Buchungen für den Sommer 2014 liegen derzeit sogar über den Erwartungen.

Giorgios hat seinen Souvenirshop erst vor ein paar Tagen wieder eröffnet, hockt jetzt auf einem kleinen Sessel im Freien, weil es zu schade wäre, drinnen im Halbdunkel hinter der Kasse auszuharren. Was er im Winter gemacht hat? "Ich sitze hier und tue genau dasselbe - nur ohne Souvenirs. Ich genieße die Stille, den Alltag - wie immer schon."

Einen großen Vorteil hat es, bereits vor Mitte Mai nach Santorin zu reisen: Jetzt bekommt man in den Restaurants Tische mit Aussicht auf den viel gerühmten Sonnenuntergang über der Ägäis - im Sommer oft ein aussichtsloses Unterfangen. Noch kriegt man auch einen der begehrten wackeligen Holztische unten im Fischerort Ammoudi, wo Joy Kerluke gebratenen Oktopus und fangfrische Dorade vom Holzkohle-Grill serviert, die ihr Mann Dimitrios zubereitet hat. Vor ein paar Tagen erst haben sie wieder aufgemacht.

Privatjet zur Vorratskammer

Kostis Psychas hat unterdessen Topfpflanzen angeschafft, sie mit der Fähre kommen lassen, um seine Höhlenhotel-Zimmer damit zu dekorieren, die einst in den weichen Fels gegrabene Vorratskammern gewesen sind. Etliche seiner Gäste reisen mit dem Privatjet an, manche kommen sogar aus Übersee. Trotzdem lohnt es sich für ihn nicht, früher aufzusperren: Auch die Leute mit den eigenen Jets wissen nicht, wie schön es auf Santorin ist, wenn die Insel erwacht.

Nur einer muss sich länger gedulden als alle anderen: Nikos Kaldrimidis ist Fremdenführer, und sein Lieblingsplatz ist die Oeros Wave Bar am Strand von Vlichada. Ein langer, staubiger Sandweg führt dorthin, und bis in den Ort ist es weit. Aber für Party und Tanz braucht es genügend Publikum - und weil das erst später einschwebt, wird der Club gerade erst hergerichtet. Nikos geht trotzdem schon mal hin, schaut, hilft ein wenig mit - und freut sich auf die heißen Sommertage, wenn hier wieder richtig was los sein wird. Fürs Erste aber ist Santorin noch mit dem Aufwachen beschäftigt. (Helge Sobik, DER STANDARD, 22.3.2014)