Wir wissen nicht, was EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle dazu veranlasst hat, gerade jetzt einen EU-Beitritt der Ukraine als reale Option ins Spiel zu bringen. Eines aber ist sicher: Einen unpassenderen Moment hätte man kaum finden können - wenige Stunden vor einem EU-Krisengipfel, bei dem die Staats- und Regierungschefs darüber beraten, wie man eine weitere Eskalation des Konflikts mit Russland in ganz Europa verhindern kann.

Die Initiative des Tschechen ist bar jeglicher Realität. Sein Diktum, wonach die EU-Mitgliedschaft "beispiellos verändernde und stabilisierende Kraft" habe, wäre im Prinzip ja richtig. Das lässt sich bei allen Problemen in den Ländern zeigen, die seit der Wende 1989 beigetreten sind.

Aber gerade für die Ukraine gilt es heute eben nicht. Sie steht nach der Annexion der Krim durch Russland auf der Kippe. Das Land erfüllt weder politisch noch wirtschaftlich irgendein Kriterium auch nur für EU-Verhandlungen.

Wie politisch instinktlos muss jemand sein, um da von EU-Beitritt zu reden und die Bürger zu verwirren? Wer stoppt unfähige EU-Kommissare? Diese Frage muss sich gerade Füle gefallen lassen. Denn er ist auch verantwortlich für die östliche Nachbarschaftspolitik. Die ist in der Ukraine total schiefgegangen. Das Land braucht jetzt jede denkbare Hilfe der Union, damit es einen eigenen Weg zu Demokratie und Freiheit gehen kann. Eines brauchen die Ukrainer nicht: falsche Hoffnungen, unsinniges Rumgerede. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 20.3.2014)