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Studiert, um zu gehen.

Foto: dpa/Friso Gentsch

"Ich wäre auch zu Fuß nach Zürich an die ETH gegangen", bringt es Gerd Folkers, inzwischen ebendort Professor für Pharmazeutische Chemie, auf den Punkt. Die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Schweiz ebenso wie der Braindrain in Europa waren Thema einer Diskussion, zu der die schweizerische Botschaft kürzlich in die Österreichische Kontrollbank einlud.

Der Schweizer Ökonom Beat Kappeler stellte dabei einige Besonderheiten der Migrationslandschaft Schweiz dar. Seit der Freizügigkeit mit der EU im Jahr 2002 seien viele Qualifizierte eingewandert, die staatliche, umlagenfinanzierte Altersversicherung habe durch die gut verdienenden und zahlreichen Zuwanderer höhere Beiträge als erwartet eingenommen - und: Die gesellschaftliche Schichtung zeige eine relativ starke Vertretung der Volleinwanderer (also jener mit zwei ausländischen Elternteilen) in den führenden akademischen Stellungen. Anders als zum Beispiel in den 50er- bis 90er-Jahren handle es sich also um eine großteils qualifizierte Migration. Welche Folgen das Ja der Schweizer zum Volksbegehren "Gegen Masseneinwanderung" hat, ist noch nicht abzusehen. 

Schweizer Erfolgsrezepte

"Die Schweiz macht bessere Angebote und kauft Spitzenforscher ein", betont IHS-Chef Christian Keuschnig den Standortvorsprung des Nachbarlandes, den er als Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen auch persönlich kennt: "Außerdem hat die Schweiz eine andere Wirtschaftsstruktur als Österreich, ist viel stärker internationalisiert."

"Die großen Talente kommen nicht zu uns, und man wirbt auch nicht um sie", spitzt es Franz Schellhorn zu, Direktor von Agenda Austria, dem Mitveranstalter des Abends. Er sieht die hohe Steuerlast als weiteren Standortnachteil Österreichs.

Dazu komme eine gewisse Grundskepsis gegenüber dem Unternehmertum: "Hier lernt man in der Schule, wie man Bewerbungsschreiben verfasst. In Kanada schreiben die in der Schule Businesspläne", so Schellhorn. Die hohe allgemeine Lebensqualität, die Österreich auch in diversen Studien immer wieder bescheinigt werde, allein reiche also nicht aus, um Spitzenkräfte anzulocken beziehungsweise zu binden.

"Löhne erhöhen, länger arbeiten, Immigrationsbarrieren abbauen, Bildungsabschlüsse leichter anerkennen und Sozialleistungen portabel machen", das sind für Keuschnigg geeignete Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Was die Akademiker betrifft, hat Beat Kappeler folgende Vorschläge: "Wir brauchen eine weltweit kompetitive Ausbildung, zudem eine Verstärkung des Mittelbaus, also eine Aufweichung des Lehrstuhlsystems." So könne "die Verschwendung kluger Köpfe" vermieden werden.

Hohe Investitionen

Nicht nur die hohen Investitionen in Bildung und Forschung sieht Gerd Folkers als einen Vorteil der Schweiz: "Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus Deutschland, um Österreich nicht zu beleidigen. Bis in Tübingen die Inventarisierung der von mir durch Drittmittel finanzierten und neu angekauften Bücher passierte, war bereits die zweite Auflage erschienen. In der Schweiz erlebte ich dann einen ganz großen Vertrauensvorschuss und große Eigenverantwortung, was die finanziellen Mittel betrifft."

Weniger Bürokratie, aber auch, wie Kapeller es ausdrückt, "die Möglichkeit, dass Forscher etwas mitverdienen", spielten eine Rolle. So solle die industrielle Verwertung zum Beispiel von Patenten für Forscher stärker ermöglicht und somit ein finanzieller Anreiz geschaffen werden. (Tanja Paar, derStandard.at, 21.3.2014)