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Es brodelt in der türkischen Community - auch wegen Recep Tayyip Erdoğan.

Foto: Reuters/Bektas

Dieser Tage wird in der türkischen Community Österreichs viel gestritten - mehr als sonst. Aber nicht etwa wegen des Hypo-Skandals und seiner sozioökonomischen Auswirkungen auf die Menschen im Land, sondern aufgrund der hitzigen Situation in der Türkei selbst. Aufgrund der bevorstehenden Kommunalwahl und des offenen Konflikts zwischen der oppositionell-elitären Gülen-Bewegung und der türkischen Regierungspartei AKP sind deren jeweilige Sympathisanten auch in Österreich nicht mehr gut aufeinander zu sprechen.

Dieser Konflikt wirkt sich nun auch auf die Zeitungen der türkischen Community aus. Galt die "Zaman Österreich" (Die Zeit Österreich) noch bis vor kurzem als publizistisches Sprachrohr der AKP in Österreich, so änderte sich dies rasant mit dem Konflikt zwischen der Gülen-Bewegung und der AKP. Denn die "Zaman Österreich" ist, ganz wie ihre Mutter in der Türkei, das publizistische Flaggschiff der Gülen-Bewegung. Das ist den österreichischen Anhängern des umstrittenen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan nicht entgangen.

"Seit Jänner bin ich kein Abonnent der 'Zaman' mehr. Diese Gülen-Leute wollen einfach so den gewählten Ministerpräsidenten stürzen", sagt der 37-jährige Hayati, ein Unternehmer mit türkischen Wurzeln und Anhänger Erdoğans. Die Gülen-Gruppe sei ihm immer schon suspekt gewesen, er habe sie aber respektiert, da sie sich lange Zeit im Windschatten der AKP befunden habe. Hayatis Ansicht ist durchaus exemplarisch.

Konservative Chefredakteure im Clinch

Von Druck auf Anzeigenkunden und Abokündigungen bis hin zu wüsten Beschimpfungen schrieb der Chefredakteur der "Zaman Österreich", Seyyit Arslan, noch Ende Jänner in einem Leitartikel. Kritik richtet er in diesem Artikel an jene, die nun mehr auf die Gülen-Bewegung schimpfen würden, um die eigenen (Karriere-)Chancen zu stärken. Arslan erinnert wiederum seine Kritiker daran, dass die "Zaman Österreich" lange Jahre als Propagandablatt der AKP gegolten habe. Insbesondere Abokündigungen schmerzen dabei, da das Konzept aller "Zaman"-Distributionen in der Türkei und der europäischen Diaspora auf Abonnements basiert. Je mehr AKP-Anhänger kündigen, umso schwieriger wird die Situation für die zweisprachige Wochenzeitung.

Kaum war der Leitartikel der "Zaman Österreich" veröffentlicht, erschien eine Replik in der konservativen, rein türkischsprachigen Zeitung "Yeni Hareket" (Neue Bewegung), deren Chefredakteur sich auf die Gülen-Gruppe und die "Zaman Österreich" eingeschossen hat. In der aktuellen Ausgabe der Zeitung widmet Yetkin Bülbül seine Aufmerksamkeit wiederum der Gülen-Gruppe und bedauert, zu früheren Zeiten den "konservativen Zuwachs" durch Gülen in Österreich begrüßt zu haben. Parallel zur AKP-Haltung unterstellt er dabei der Gülen-Gruppe eine Form der "Liebe zu Israel" und schließt damit seinen Leitartikel.

Gezi-Park polarisiert weiterhin

Der Konflikt innerhalb der konservativen Teile der türkischen Community in Österreich ändert aber nichts daran, dass sich konservative und säkulare Gruppen weiterhin gegenüberstehen. Während die österreichische Öffentlichkeit über den Hypo-Skandal, die fehlenden Milliarden und etwaige Sparprogramme spricht, streiten konservative sowie linke und säkulare Gruppen der türkischen Community über den Tod des 14-jährigen Berkin Elvan. Berkin war im Zuge der Gezi-Proteste von einer Gasgranate am Kopf getroffen worden und lag seither im Koma. Der Tod des Burschen am 11. Jänner hatte nicht nur in der Türkei für wütende Proteste gesorgt, sondern löste auch in Wien und anderen österreichischen Städten Solidaritätsaktionen aus.

Ähnlich wie im vergangenen Sommer, als sich säkulare Türkischstämmige in Österreich schnell mit den Gezi-Protesten solidarisch erklärten, reagieren die AKP-nahen Kreise in Österreich erst spät. So ist auch dieses Mal eine Kundgebung durch AKP-Freunde am 21. März am Wiener Columbusplatz angekündigt. Auch wenn die Veranstaltungsseite auf Facebook mittlerweile wieder gelöscht wurde, war zuvor eine polizeidienstliche Anmeldung der Demonstration zu sehen gewesen.

Sollte die Kundgebung nicht kurzfristig abgesagt werden, wird hier jener beiden Menschen gedacht, die im Zuge der Demonstrationen rund um das 14-jährige Opfer Berkin zu Tode gekommen waren. Pikantes Detail: Einer davon war ein Polizist, der während des Einsatzes an einem Herzinfarkt verstarb. Der andere, ein junger Mann, wurde durch einen Schuss in den Kopf getötet. Er war Anhänger einer AKP-nahen Fußball-Fangruppe des türkischen Erstligisten Kasımpaşa (Erdoğans Geburtsort). Die Situation bleibt hier wie dort bis zu den Wahlen also stark angespannt. (Rusen Timur Aksak, daStandard.at, 19.3.2014)