Vier prominente Zeitgenossen erzählen über ihr Modeverständnis

Matthias Herrmann "Meine Hemden bügle ich beim Kaffeetrinken"

Ich trage Anzüge sehr gerne, weiß aber nicht, wie ich sie in meinen Alltag integrieren soll. In einem Anzug fühle ich mich immer ein wenig verkleidet, ich habe ja keinen Bürojob, wo eine Uniform erwünscht wäre. Wenn ich mit dem Fahrrad fahre oder zum Turnen gehe, dann fühle ich mich in einem Anzug einfach overdressed oder kostümiert. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, oft zu salopp gekleidet zu sein. Ich bin gerade 50 Jahre alt geworden und fand es immer schrecklich, wenn sich Leute mit 60 als Berufsjugendliche gerieren.

Früher habe ich nie Krawatten getragen, ich dachte, ich sehe damit wie bei der eigenen Erstkommunion aus. Inzwischen habe ich ein Faible für Krawatten. In meinem Haus auf dem Land erledige ich mitunter die Gartenarbeit in Hemd und Krawatte. Meine Nachbarn lachen sich kaputt, weil sie mich nur in T-Shirts kannten. Aber ich finde, es ist doch das größte Vergnügen, ein Hemd ordentlich zu bügeln, eine Krawatte umzubinden und dann einen Pullover darüber anzuziehen, sodass man das gebügelte Hemd gar nicht sieht.

Meine Hemden bügle ich während des Frühstücks beim Kaffeetrinken. Meist ziehe ich zu den Hemden tief sitzende Jeans oder Khakis an. Viele meiner Anziehsachen habe ich schon sehr lange. Das liegt auch daran, dass ich annähernd die gleiche Figur wie vor 30 Jahren habe.

Bei Anzügen ist meine Lieblingsmarke Hugo von Hugo Boss. Da werden Modekenner sicher aufschreien, aber mir passen die Hugo-Anzüge einfach. Auch beim Dreiteiler von Zegna, den ich auf dem Foto anhabe, musste nur die Hosenlänge geändert werden. Er ist schmal geschnitten, und das Material ist angenehm weich. Mir ist sonst immer alles zu kurz oder zu weit.

Matthias Herrmann (geb. 1963) begann seine Karriere als Balletttänzer, bevor er sich der Fotografie widmete. Er war Professor an der Wiener Bildenden, jetzt ist er im Uni-Rat.

Fotokünstler Matthias Herrmann in Anzug und Schuhen von Zegna, Hemd Cos, Einstecktuch Mühlbauer.

Foto: Irina Gavrich/Styling Max Märzinger

Elfie Semotan "Extravaganz sollte man sich leisten"

Der Mode von Petar Petrov gelingt eine spannende Gratwanderung zwischen modernen und konservativen Elementen. Seine Entwürfe sind fantastisch verarbeitet und aus hochwertigen Materialen gemacht. Ich finde es schön, wenn ein Kleidungsstück außerhalb seiner Funktion auch als Objekt interessant ist. Wenn es herumliegt und nicht wie ein Fetzenhaufen aussieht: mit schlechten Nähten und herunterhängenden Fransen. Ich habe ein Faible für Hosen, man kann sich in ihnen wunderbar bequem bewegen, viel freier als mit kurzen engen Röcken, für die ich ohnehin schon zu alt bin. Sicher, manche können kurze Röcke auch bis 70 tragen, aber man sollte sich dennoch damit auseinandersetzen, wie man aussehen möchte.

Man kann sich auch im hohen Alter spannend anziehen, solange man nicht versucht, krampfhaft jung wirken zu wollen, nur weil man noch immer schlank ist. Das funktioniert nicht. Aber Extravaganz sollte man sich durchaus leisten. Diese strikte Trennung zwischen Frauen- und Männermode habe ich nie verstanden. Ich habe von Helmut Lang viele Männerhosen und Männermäntel getragen. Ich habe mir einmal extra einen grauen Flanellanzug schneidern lassen. Einen klassischen Doppelreiher, weil ich auf der Straße eine Frau aus Jugoslawien gesehen hatte. Die trug einen Anzug von ihrem Mann, der ihr viel zu groß war. Das sah großartig aus. Ich bewundere bei anderen, wenn sie sich kreativ kleiden.

Man erneuert die Moderegeln ja gerade dadurch, dass man sie nicht akzeptiert. Trotzdem wundere ich mich oft, wie wenig die Leute von ihrem Körper und ihren Proportionen wissen. Wie wenig ihnen bewusst ist, dass sie Kleidung tragen, die sie nicht vorteilhaft aussehen lässt. Dabei geht es aber gar nicht um Exzentrik. Ich besitze zwar einige extravagante Sachen, aber eigentlich sind meine Kleiderschränke voll mit sehr tragbaren Stücken. Auffallen um jeden Preis ist nicht mein Ziel. Allerdings, wenn man dieses Petar-Petrov-Kleid vom Foto trägt, dann kommt man sicher nicht ungesehen davon.

Elfie Semotan wurde 1941 in Wels geboren. Sie war zuerst als Fotomodell in Paris tätig und wechselte Ende der 1960er-Jahre hinter die Kamera.
Sie hat die heimische Modefotografie geprägt wie niemand sonst: Elfie Semotan in Kleid und Hose von Petar Petrov.

Foto: Irina Gavrich/Styling Max Märzinger

Peter Kruder "Mode hat mich immer fasziniert"

Meine erste Bomberjacke habe ich in einem Army-Shop auf der Favoritenstraße gekauft. Sie war in Goldgelb, das war eine Farbe, die es damals ganz selten gab. Dementsprechend oft wurde ich dann auch darauf angesprochen.

Mode hat mich schon immer fasziniert, in meiner Jugend war sie identitätsstiftend. Damals gab es nur Rocker, Popper, Mods, Punks und Normalos. An der Kleidung war bereits zu erkennen, welcher Gruppe jemand angehört, welche Weltanschauung man hatte. Heute ist das alles diffiziler, man kombiniert die unterschiedlichsten Stile miteinander, und es gibt keine eindeutigen Strömungen mehr. Die Buffalo-Bewegung um den Londoner Stylisten Ray Petri nahm der Bomberjacke in den 1980er-Jahren ihr bösartiges Skinhead-Image, man erklärte sie auf den Seiten von "Face" und "iD" zum Fashion-Item. Später hat Helmut Lang die Bomberjacke auch immer wieder neu interpretiert, und da ich zehn Jahre lang für die Musik seiner Shows verantwortlich war, habe ich nach wie vor noch einige Versionen der Jacke und noch viele andere Kleidungsstücke von ihm.

Meine Kästen werden regelmäßig aussortiert, Sachen, die ich nicht mehr trage, bringe ich zu meiner Mutter, die verteilt sie dann an Leute, die sie brauchen können. Online-Shopping ist für mich eher schwierig, da ich das Material fühlen muss. Ich hasse nichts mehr als Stoffe, die unangenehm zu tragen sind, und kaufe auch nichts, was unbequem ist. Online bestelle ich nur Sneakers, die sammle ich schon seit Mitte der 1980er-Jahre. Da kann nichts schiefgehen, ich weiß, bei Nike brauche ich vom Model abhängig Größe 10 oder 10,5. In meinem Besitz befinden sich mittlerweile rund 300 Paar Sneakers. Als DJ ist man in der ganzen Welt unterwegs, und über die Jahre war es mir möglich, tolle Shops in verschiedenen Städten entdecken zu können.

Hongkong und Singapur stehen da ganz oben auf der Liste. Aber auch in Wien gibt es mittlerweile sehr spezielle, spannende Geschäfte. Comerc, Park, Arnolds/Paar und Wood Wood besuche ich regelmäßig.

Peter Kruder, 1967 in Wien geboren, ist DJ und Produzent. 1993 gründete er mit Richard Dorfmeister Kruder & Dorfmeister, gemeinsam betreiben sie G-Stone Recordings.
War zehn Jahre lang für die Musik bei Helmut-Lang-Shows zuständig: Peter Kruder in einer Jacke von Wood Wood und einer Hose von Louis Vuitton.

Foto: Irina Gavrich/Styling Max Märzinger

Claudia Unterweger "Ich mag einen androgynen Look"

Ich schätze Mode, die mein Selbstbild unterstreicht, sehe mich aber nicht als Fashion-Victim. Privat kaufe ich auch gerne mal Mode in der Herrenabteilung, ich mag einen androgynen Look. Abgesehen davon finde ich, dass wir über die Sachen, die wir tragen, auch eine Message transportieren. Wenn ich Kleidung, die eher feminin konnotiert ist, mit maskulinen Sachen kombiniere, signalisiere ich auch, was ich von stereotypen Geschlechterbildern halte. Das nervt mich nämlich manchmal an Mode, dass der Körper so stark normiert wird. Vor allem beim Frauenkörper wird von Einheitsmaßen ausgegangen.

Ich widersetze mich diesem Druck durch den Griff in meinen Kleiderkasten. Und mag die Irritation in den Blicken auf der Straße. Beim Shooting hat mich das knallgelbe Kleid sofort begeistert, aber mir war klar, dass es dazu die Herrenanzughose braucht. Ich mag diese androgyne Spannung zwischen den Elementen, zwischen smart und sexy. Ich bin durch meine Arbeit als Fernsehmoderatorin sicher experimentierfreudiger geworden, was meine Outfits betrifft. Früher habe ich mich eher dem grauen Wiener Stadtbild angepasst. Jeans, T-Shirts und Turnschuhe - das war meine Alltagskluft.

Jetzt kombiniere ich gern mit ausgefallenen Tops, vor kurzem habe ich in Barcelona ein riesiges 1980er-Jahre-Shirt mit Fledermausärmeln erstanden. Vor der Kamera habe ich festgestellt, wie spektakulär Farben aussehen können. Jetzt trage ich auch privat immer wieder mal kräftige Farben. Für die Arbeit vor der Kamera schlägt die ORF-Modebeauftragte unterschiedlichste Outfits vor. Neben Hosenanzügen habe ich etwa einen Overall, den ich liebe, und einige asymmetrische Oberteile. Ich probiere dann auch Sachen, an die ich mich persönlich wahrscheinlich nicht heranwagen würde. Das Wichtigste ist, dass ich mich darin wohlfühle. Wenn ich merke, das bin doch nicht ich, dann kommt das Kleidungsstück nicht in meine Garderobe. Ich arbeite ja auch beim Radiosender FM4, da ziehe ich mich casual an.

Claudia Unterweger, 1971 geboren, ist als Moderatorin und Redakteurin für den ORF tätig. Sie arbeitet fürs Fernsehen und für den Radiosender FM4.
Trägt im Fernsehen Sachen, über die sie sich privat nicht trauen würde: Claudia Unterweger in Kleid und Hose von Joseph. Uhr: Rolex.

(DER STANDARD, Rondo Exklusiv, 19.3.2014)

Foto: Irina Gavrich/Styling Max Märzinger