Die Stromliberalisierung zum Sündenbock für das größte Blackout in der Geschichte Nordamerikas zu machen mag zwar populär sein, richtig wird es dadurch nicht. Dass die Marktöffnung nur ein Segen ist, der den Konsumenten billigeren Strom bringt, ist aber auch nicht korrekt. Denn um die zugesagten Verbilligungen Realität werden zu lassen, müssen die Netzbetreiber die Durchleitungsgebühren massiv senken - gerade in Österreich, wo die Anhebung von Steuern und Abgaben die Liberalisierungsrendite mehr als wettgemacht hat. Und schließlich steht nur die reine Energie im Wettbewerb.

Die Netzbetreiber haben aus der Liberalisierungsrealität folgenden für sie logischen Schluss gezogen: Wenn man mit dem Transport von Energie nichts mehr verdienen kann, werden die Investitionen auf null heruntergefahren. Das bedroht mittelfristig die Sicherheit und die Qualität der Stromversorgung.

Kriterien für Netzbetreiber

Anstatt den Konsumenten die Segnungen der Marktöffnung mit möglichen Einsparungspotenzialen zu verkaufen, sollte der Wirtschaftsminister Qualitäts- und Ertragskriterien für die Tätigkeit der Netzbetreiber festlegen. Weil die Sicherheit der Stromversorgung nicht umsonst zu haben ist, muss sichergestellt werden, dass die Versorger die Investitionen, die sie quasi im öffentlichen Interesse tätigen, auch wieder verdienen können. Sonst drohen in Europa kalifornische Zustände.

Kalifornien hatte eine asymmetrische Marktöffnung verordnet: Der Stromgroßhandel stand im Markt - mit einer Obergrenze für die Haushaltstarife. Weil die Stromfirmen dadurch nichts mehr verdienen konnten, sind einige Pleite gegangen. Ins Netz haben alle nichts investiert. Daraus kann man folgende Lehre ziehen: Eine Liberalisierung ohne strenge Auflagen bringt mehr Schatten als Licht und ein viel höheres Risiko von Blackouts. (Der STANDARD Print-Ausgabe, 19.8.2003)