"Geschichtsklitterung"
Dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) müsse "nachdrücklich widersprochen werden, wenn er das bestreitet", so Stoiber. Der Kanzler hatte sich in der vorigen Woche gegen eine solche Gedenkstätte in Berlin ausgesprochen, um die historischen Ursachen für das Unrecht der Vertreibung nach dem Krieg nicht zu verwischen. Niemand könne bestreiten, dass dies mit dem deutschen Faschismus zusammenhänge, weil er sonst Geschichtsklitterung betriebe, hatte Schröder gesagt.
Es sei legitim und selbstverständlich, dass ein Volk der eigenen Opfer gedenke, meinte Stoiber. "Auch die Vertreibung und das Leid der Vertriebenen müssen ihren Platz im deutschen und europäischen Geschichtsbewusstsein haben." Die Wahl Berlins für den Standort des Zentrums "verdrängt in keinster Weise die Erinnerung an die Verbrechen, die während der nationalsozialistischen Zeit im deutschen Namen geschahen und die großes Leid über die Völker Europas gebracht haben." Ein Zentrum in Berlin sei eine ständige Mahnung für dauerhaften Frieden und Aussöhnung in allen Teilen Europas.
CDU vs. SPD
Trotz andauernder Kritik hält die Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" an ihrem Plan fest, ein Gedenk- und Dokumentationszentrum in Berlin zu errichten. Auch die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), griff am Wochenende Kanzler Schröder an. Dieser habe "Angst vor unseren Nachbarn", wenn er Berlin als Standort für das von ihr mit initiierte Zentrum ablehne.
Der SPD-Politiker Peter Glotz sieht in der Ablehnung Berlins als Zentrums-Sitz durch Schröder kein Hemmnis für das Projekt. Schon früher habe der Kanzler Berlin als Sitz abgelehnt, sagte Glotz der "Märkischen Oderzeitung".
Fischer stimmt zu
Auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) lehnt ein nationales "Zentrum gegen Vertreibungen" ab. Er warnte am Montag in Berlin zugleich vor einer Belastung der Beziehungen mit den Nachbarländern. "Ich mache mir große Sorge, dass diese Debatte zur Konfrontation mit den Nachbarn führt", sagte Fischer über das Projekt.
Fischer, dessen Familie nach dem Krieg selbst Opfer von Vertreibung war, sagte, die Vertreibungen in Europa seien "das Ergebnis eines Selbstzerstörungsprozesses, der in Deutschland eingeleitet wurde". Dieser habe mit der Vertreibung der Juden nach 1933 begonnen und mit den Vertreibungen nach 1945 geendet.
"Die Deutschen haben für ihre Politik mit der Vertreibung bezahlt"
Überhaupt gegen ein Zentrum hat sich Marek Edelman, der letzte überlebende Kommandant des Aufstands im Warschauer Ghetto im April 1943, ausgesprochen. "Die Deutschen haben für ihre Politik - unter anderem die Unterstützung Hitlers - mit der Vertreibung bezahlt", sagte er in einem Interview, das in der katholischen Wochenzeitschrift "Tygodnik Powszechny" erschien und am Montag auch auszugsweise in der "Gazeta Wyborcza" gedruckt wurde. "Statt ein Denkmal für die Vertriebenen zu errichten, sollte man die Getöteten beweinen."
Das vom Bund der Vertriebenen geforderte Zentrum würde nach Ansicht Edelmans eine verkehrte Darstellung der Geschichte zeichnen. "Es würde bedeuten, dass die Polen ihnen durch die Vertreibung Leid zugefügt haben. Genauso wäre es gegen alle anderen Völker gerichtet, die Opfer des Krieges waren." Deutschland habe einen totalen Krieg geführt, der sich auch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet habe, betonte Edelman. "Vertreibung ist Leiden, aber es gibt viele Leiden auf der Welt", sagte Edelman. "Die Juden haben nicht nur ihre Häuser, sondern auch alle ihre Angehörigen verloren."
"Ich habe keinerlei Mitleid mit dem deutschen Volk"