Die steigende Anzahl an Ermittlungen, Strafprozessen und zum Teil Verurteilungen von Managern aus Wirtschaft und Politik – vorwiegend aus elitären Kreisen und Unternehmen – bestätigen die Notwendigkeit der Kontrolle und auch jene der neu installierten Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die kompromisslose Verfolgung von Deliktsvorwürfen ist zu begrüßen: "Wirtschaftskapitäne" sollen für ihre Misserfolge auch haften, eine logische Konsequenz, die anstelle von  astronomischen Abfertigungen in einen unverdienten Ruhestand treten muss.

Keine Kriminalisierung

Doch der Tendenz, die Wirtschaft grundsätzlich zu kriminalisieren, ist mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten. Denn viel zu wenig wird über die große Anzahl von Unternehmen und Leistungsträgern, die täglich mit Umsicht und vollem Einsatz in ihren Betrieben das Rückgrat der österreichischen Volkswirtschaft darstellen, gesprochen. Gemeinsam mit ihren best ausgebildeten und tüchtigen Mitarbeitern sichern sie die so wichtigen ökonomischen Erfolge.

Eine klare Trennung zwischen persönlichen Vorteilen und wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens gehört zur Selbstverständlichkeit. Sollte unter den derzeit herrschenden schwierigen Rahmenbedingungen einmal einer scheitern, wird gleich von Misswirtschaft und Unfähigkeit der Verantwortlichen gesprochen, nicht selten von Leuten, die sich vorwiegend durch Ahnungsfreiheit in wirtschaftlichen Belangen auszeichnen.

Heftige Regulierungswut

Unternehmer oder Freiberufler zu werden oder zu sein, ist hierzulande immer weniger erstrebenswert: Es hängt nicht nur mit der überbordenden Regulierungswut und der übertriebenen Bürokratie, sondern auch mit den verschärften Haftungssituationen von Geschäftsführern und Organen, die mit ihrem gesamten Privatvermögen haften, zusammen. Eine Unzahl von Pflichten und Rechtsvorschriften machen es immer schwieriger erfolgs- und gewinnorientiert zu arbeiten, kurzfristige Entscheidungen zu treffen oder Risiken einzugehen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Und weitgehend unbeachtet werden im Schatten der großen Wirtschaftsprozesse auch die unternehmerischen Handlungen der mittelständischen Firmen in den Fokus akribischer Prüfungen gezogen.

Fortschritt Whistleblowing?

Das wäre nicht zu kritisieren, wenn nicht eine Neueinrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, das so genannte "Whistleblower-Telefon", jedem ermöglicht, anonym Anzeigen gegen Personen einzubringen (frei nach dem Motto "ein bisserl was wird schon wahr sein"), die in der Folge Ermittlungen und Untersuchungen nach sich ziehen können. Damit wird es leicht gemacht, einen Missliebigen oder Mitbewerber „anzupatzen" und nachhaltig zu schädigen. Beteuerungen, dass solche Fälle kaum vorkommen, sind es wert, hinterfragt zu werden.

Die Verlockung, einem störenden und vielleicht aggressiv auftretenden Konkurrenten damit Schwierigkeiten machen zu können, ist sicher gegeben. Irgendwie kommt Unbehagen auf, wenn solche Möglichkeiten eingeräumt werden, ohne sich selbst deklarieren zu müssen.

Seit kurzem ist auch eine weitere Task-Force zur Bekämpfung von Steuerbetrug installiert worden, die Finanzpolizei. Mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet ist sie auf der Jagd nach vermeintlichen und tatsächlichen Steuersündern. Grundsätzlich in Ordnung, diejenigen, die Steuern und Abgaben hinterziehen verzerren den Wettbewerb und schädigen das Allgemeinwohl. Die Wahrscheinlichkeit, durch vernetzte Aktivitäten der neu institutionalisierten Kontrollmechanismen in den Fokus von Vorerhebungen und Voruntersuchungen zu geraten, ist damit jedenfalls deutlich gestiegen.

Wärmer anziehen

Jeder Verantwortungsträger ist gut beraten, seine konkreten Risikosituationen zu analysieren, sein Rechtswissen auf den letzten Stand zu bringen und sich rechtzeitig über mögliche Absicherungen zu informieren.

Kontrolle gewinnt in größeren Unternehmen heute sowohl im Umfang wie auch im Aufwand immer mehr an Bedeutung gegenüber dem eigentlichen Unternehmenszweck. Compliance-Abteilungen beschäftigen sich mit Anträgen von Mitarbeiter, ob diese ein "geschenktes" Mittagessen annehmen dürfen oder eine Einladung über EURO 100.-- bereits Bestechung ist.

Die internen Verhaltensregeln gehen gelegentlich noch über die ohnehin schon sehr strengen gesetzlichen Vorschriften hinaus. Korruption ist in aller Munde... Muss das wirklich sein? Der Grundsatz zur Ehrlichkeit und Transparenz ist in Ordnung, doch wird hier nicht übertrieben?

Generalverdacht oder Transparenz?

Die Veranstalter von Sport- und Kulturevents beginnen es bereits zu spüren. Von den Firmen werden weniger Tickets gekauft, weniger Geschäftspartner werden eingeladen, das wird nicht ohne Auswirkungen bleiben. Ist es denn tatsächlich notwendig, jeder, außerhalb des heute dominierenden digitalen Geschäftsverkehrs liegender, persönlicher Kommunikation den Generalverdacht der Korruption umzuhängen, nur weil die Gespräche mit einer Essenseinladung verbunden sind?

Österreich tritt gerne als Musterschüler auf, wenn es gilt alles und jedes zu regulieren. Die unüberblickbare Vielzahl an Gesetzen und Verordnungen, die niemand mehr kennt und kennen kann, sind eindrucksvoller Beweis dafür. Es wäre wünschenswert, wenn die gleiche Begeisterung einmal bei der Entrümpelung und Entbürokratisierung längst überkommender Vorschriften einsetzen würde. Und das zum Wohle aller.

Was wir dringend brauchen ist eine positivere Einstellung zu  Wirtschaft und zu den Unternehmern. Bei allem Verständnis für Transparenz und den immer stärkeren Wünschen und Forderungen nach Kontrolle, damit kann man keine Erfolge im harten Konkurrenzkampf erzielen.

Diese können nur im Zusammenwirken zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft erarbeitet werden: Das bedingt allerdings gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen. Nur gemeinsam werden wir die hohen Herausforderungen in unserer globalisierten Welt bewältigen können.