Unterschiedlicher kann man den Zustand der ÖVP nicht einschätzen, als es Bernd Schilcher und Werner Fasslabend diese Woche getan haben. Bildungsexperte und Ex-ÖVP-Politiker Schilcher zeichnete ein düsteres Zukunftsbild der ÖVP. Die Partei könne nur durch Zerschlagung und Wiederaufbau gerettet werden, sonst werde sie "den Bach runter" gehen. Anders sieht das Fasslabend, Präsident der Politischen Akademie, des ÖVP-Äquivalents zum Renner-Institut der SPÖ. Die ÖVP, so Fasslabend, sei die einzige Partei mit Wirtschaftskompetenz, und die größte Stärke liege in ihrer Wertekultur.

Reisende soll man nicht aufhalten

Am virtuellen Stammtisch des Forums sind Worte wie "Wirtschaftskompetenz" und "Wertekultur" im Zusammenhang mit der ÖVP zu Reizwörtern geworden, vor allem wenn in der gleichen Woche Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wird und Finanzminister Michael Spindelegger sich dazu durchringt, den Steuerzahler allein für die Hypo zahlen zu lassen. Im Forum findet sich nicht die Spur Mitleid für die Volkspartei, die sich mit schlechten Umfragewerten konfrontiert sieht. Es herrscht Vorfreude, die User sind sich einig:

Auch in der ÖVP sind nicht alle von der Strahlkraft der eigenen Wirtschaftskompetenz und Wertekultur überzeugt. Für den EU-Wahlkampf hat man vorsorglich das ÖVP-Logo auf der ersten Plakatwelle weggelassen. Othmar Karas, der Spitzenkandidat, liebt Europa und will es besser machen, informiert das Plakat. Laut Generalsekretär Gernot Blümel sollen damit Wähler außerhalb der ÖVP angesprochen werden. Im Umkehrschluss wird auf jenen Plakaten, die ÖVP-Wähler mobilisieren sollen, Othmar Karas ausgespart.

Dass die Beziehung der Partei zu ihrer Führung situationselastisch ist, konnte man diese Woche in Kärnten beobachten. Als das Führungsduo Obernosterer/Waldner weggeputscht wurde und Christian Benger die Nachfolge antrat, wurde kurz nach dem Beschluss wieder Kritik von der ÖVP-Basis geäußert: Das Vorgehen sei "unprofessionell".


Der Selbstdemolierung wurde diese Woche eins draufgesetzt, als Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte, die Neos seien teilweise die bessere ÖVP, und deshalb habe er sie auch gewählt - die ÖVP als Untergangs-Blockbuster mit Überlänge, der dem Finale entgegenschleicht.

Die Zeichen der Zeit

In den Augen vieler User gehen die Probleme der ÖVP weit über die Personalfrage hinaus. Als Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sich unlängst vorstellen konnte, dass auch Homosexuelle Kinder adoptieren könnten, zeigten sich die User überrascht, dass ein gesellschaftspolitischer Impuls aus der ÖVP kommen kann.


Als Vizekanzler Spindelegger meinte, das sei kein drängendes Problem, und Pensionistenbund-Obmann Andreas Khol erklärte, eine Familie bestehe im Regelfall aus Vater, Mutter, Kind, war die Diskussion auch schon wieder vorbei. Für viele User war jedoch klar, wofür die ÖVP im Moment steht, und damit sind keine Wahlen zu gewinnen:
(Florian Stambula, derStandard.at, 14.3.2104)