Tofu ist der Teufel? Nicht für den menschlichen Verzehr gedacht? Im besten Fall geschmacklos, im schlimmsten widerlich, eine Pampe, die an eine Mischung aus gepressten Sägespänen und Pappmaschee erinnert? Sie haben noch nie verstanden, wie Milliarden von Menschen, die nicht vom Hungertod bedroht sind, das Zeug zu einem Hauptbestandteil ihrer täglichen Ernährung gemacht haben? Kochen Sie einmal Tofu selbst – und sie werden eine Idee davon bekommen, wie gut er schmecken kann.

Das Problem des Tofus ist, dass er so vergänglich ist. Bereits einige Stunden nach dem Kochen ist er nicht mehr ganz so großartig wie frisch aus dem Topf, spätestens drei Tage danach ist es ganz vorbei mit dem Zauber. Was im Supermarkt, viel zu stark gepresst, vor sich hin gammelt, ist nicht einmal mehr ein Schatten der frischen Pracht. Dabei kann er richtig gut sein: Ganz frisch und noch warm vom Kochen entwickelt er ein kräftig-süßes, gemüsiges Aroma, er duftet blumig nach Soja, und wenn man ihn nicht übermäßig presst, dann zergeht er wie zarter Pudding auf der Zunge.

Am Anfang dieses Eintrags stand der Wunsch, guten Tofu auch hier zu bekommen. Die Australierin und ich planen im Sommer am Wochenende einen kleinen Heurigen im Burgenland und wollen auch abseits des Schweins was bieten. Ich habe mich also erst einmal durch ein kleines, einigermaßen repräsentatives Sortiment gekostet. Das Ergebnis: Keiner war so richtig gut.

Die beiden Supermarkt-Tofus Soj Vital und Spar Veggie stechen heraus und sind meiner Meinung nach besonders widerlich (viel zu hart, geschmacklich wenig erfreulich). Den besten Geschmack hatte der frische Tofu aus diesem Laden, der an diesem Morgen geliefert worden war und laut Shopbesitzer in Ungarn bei Sopron hergestellt wird. Er ist deutlich weicher als die Konkurrenz, eher in Richtung Seidentofu.

Foto: Tobias Müller

Der Rest war im Blindtest eher ein Einheitsbrei: ziemlich geschmacksneutral, mal etwas fester, mal etwas weicher. Auch der Tofu aus dem Südburgenland enttäuschte: Er schmeckte tatsächlich etwas anders, aber nicht wirklich besser (zu alt?). Weil also der Haufen eher hoffnungslos war, habe ich mich selbst ans Werk gemacht.

Foto: Tobias Müller

Als Anleitung diente mir das hier, das hier und eine Mail-Konversation mit dem freundlichen Leser Martin M., der selbst regelmäßig und in größeren Mengen Tofu macht. Ihm verdanke ich die generelle Anregung und den Hinweis auf mein leicht erhältliches Gerinnungsmittel. Lassen Sie sich vom folgenden langen Text nicht entmutigen. Ich bin alles andere als ein Tofu-Mach-Profi – es hat trotzdem auf Anhieb wunderbar geklappt. Zugegeben: es ist aufwendig – es zahlt sich aber geschmacklich wirklich aus.

Selbstgemachter, wirklich guter Tofu

Tofu ist im Grunde nichts anderes als Frischkäse aus Soja- statt Tiermilch: Protein, das durch bestimmte Stoffe zum Gerinnen gebracht und anschließend gepresst wurde. Und wie den Käse umweht selbst gemachten Tofu der Zauber der Alchemie, die aus einer Flüssigkeit einen Feststoff macht. Zum Tofumachen brauchen Sie:

  • Frische, selbst gemachte Sojamilch
    Jede mir bekannte österreichische -Supermarkt-Sojamilch ist ausnehmend schlecht und wässrig – viel schlechter als vergleichbare Produkte in anderen Ländern. Ich weiß nicht, woran das liegt, vielleicht verwenden die Hersteller zu wenig Bohnen. Lassen Sie also die Finger von Fertigprodukten und machen Sie die Ihre selbst, es zahlt sich aus. Ich habe meine aus einem Viertel Bohnen und drei Viertel Wasser gemacht, eine gute Mischung. Die trockenen Bohnen dafür gibt's etwa hier zu kaufen.
  • Bittersalz Es gibt verschiedene Säuren und Salze, die Sojaprotein gerinnen lassen. Traditionell ist in Japan Nigari, das hat sich aber in Wien als eher unmöglich zu bekommen herausgestellt. Leser M. verwendet Bittersalz, was seiner Meinung nach eine besonders schöne Konsistenz gibt – und, vor allem, in jeder Apotheke günstig zu haben ist. Das Zeug hat mir wunderbare Dienste geleistet.
  • Häcksler oder Stabmixer
    Kräftiges Modell, muss die Bohnen schroten
  • Seihtuch
    Zum Abseihen der Milch. Ich habe ein Geschirrtuch ausgekocht und danach noch ordentlich durchgewrungen. Ging tadellos.
  • Wärmefesten Handschuh oder hohe Hitzetoleranz
    Der heiße Bohnenbrei muss ausgewrungen werden. Wer sich nicht die Finger verbrennen will, nutzt idealerweise einen Silikonhandschuh, mit dem sonst etwa heiße Pfannen angegriffen werden.

Ich habe insgesamt ein Kilo trockener Sojabohnen verarbeitet, in zwei Durchgängen, mit insgesamt etwa neun Liter Wasser (Je Durchgang 4,5 Liter und 500 Gramm trockene Bohnen). Das ganze ergab bei mir insgesamt etwa 800 Gramm Tofu (400 je Durchgang) – genug für eine Vorspeise für acht oder einen Hauptgang für vier.

Foto: Tobias Müller

Erst Sojamilch...

Die trockenen Sojabohnen über Nacht in ordentlich Wasser einweichen. Bedecken Sie sie gründlich, sie saugen jede Menge Wasser.

Foto: Tobias Müller

Am nächsten Tag das Restwasser wegschütten und jeweils zwei Gläser Bohnen mit einem Glas frischem Wasser in den Häcksler packen und ordentlich klein häckseln (Ich habe ein Viertelliter Glas als Maß verwendet, aber es geht hier um das Verhältnis. Wenn ihr Häcksler größer ist oder sie ohnehin mit dem Stabmixer arbeiten, nehmen Sie mehr.)

Lassen Sie das Gerät ruhig zwei, drei Minuten laufen, das Ergebnis soll ein feiner Brei sein. Kippen Sie den Brei in einen großen Topf und wiederholen Sie das Häckseln, bis sie alle Bohnen gemahlen haben. Wenn Sie fertig sind, füllen Sie den Bohnenbrei mit Wasser auf, sodass für jedes Glas Bohnen drei Gläser Wasser im Topf sind.

Foto: Tobias Müller

Jetzt kommt der mit Abstand mühsamsten Teil: Bringen Sie die Masse langsam unter stetigem Rühren zum Kochen, passen Sie auf, dass der Inhalt nicht übergeht und schöpfen Sie den schneeweißen Schaum ab, der oben treiben wird. Das kann leicht eine halbe Stunde dauern. Wenn es einmal blubbert, lassen Sie es 20 Minuten köcheln (immer wieder mal rühren), um einen Stoff in der Sojabohne abzubauen, der die menschliche Verdauung hemmt.

Foto: Tobias Müller

Seihen Sie die fertig gekochte Mischung durch ein Tuch in einen zweiten Topf oder eine große Schüssel. Packen Sie dafür den Sojabrei in das Tuch und wringen es ordentlich aus (Handschuh!), zurück bleiben soll nur ein trockener, bröckeliger Brei, der Okara.

Foto: Tobias Müller

Manche Leute verarbeiten den weiter oder verfüttern ihn an ihre Hühner und Schweine. Aus Zeit- und Nutztiermangel habe ich ihn weggeschmissen.

Sie sollten nun einen Topf noch dampfende, frische Sojamilch vor sich stehen haben. Trinken Sie ein Glas und staunen Sie über den guten Geschmack. Machen Sie entweder gleich weiter oder heben die Milch bis zum nächsten Tag auf.

...dann Bohnen-Frischkäse

Ich hatte an diesem Punkt etwa 3,5 Liter Sojamilch. Bringen Sie die Milch erneut zum Kochen. Der chemische Prozess, der bald gefragt ist, setzt erst bei über 78 Grad ein, das Aufkochen lässt Sie auf Nummer sicher gehen. Währenddessen lösen Sie 15 Gramm Bittersalz in 200 Milliliter kaltem Wasser auf.

Foto: Tobias Müller

Wenn die Milch köchelt, nehmen Sie sie vom Herd und kippen die Hälfte der Bittersalzlösung hinein. Rühren Sie kräftig durch und lassen das ganze fünf Minuten in Ruhe zugedeckt stehen. Checken Sie: Die Masse sollte begonnen haben, zu gerinnen, Sie sollten sie also wie einen sehr weichen Pudding schneiden können. Wenn nicht (oder Sie sich nicht sicher sind), träufeln sie mit einem Löffel noch mehr Bittersalzlösung darüber. Diesmal rühren Sie nicht um.

Foto: Tobias Müller

Warten Sie weitere zehn, fünfzehn Minuten und schneiden Sie erneut durch die Masse. Es sollten sich weiße Blöcke von klarer, gelblicher Molke trennen. Schöpfen Sie die Masse vorsichtig aus dem Topf und in ein Sieb, sodass das geronnene Protein oben bleibt und die Molke abrinnt.

Foto: Tobias Müller

Wenn alles abgeschöpft ist, pressen Sie es vorsichtig für etwa 20 Minuten. Ich habe einfach mit einem Teller und Wasser gefüllten Schüsseln gearbeitet, nicht ideal, aber praktikabel.

Foto: Tobias Müller

Der Tofu wird danach recht weich sein, mehr wie Seidentofu. Um ihn fester zu bekommen, brauchen Sie ein besseres Presssystem als ich.

Foto: Tobias Müller

In Wien ist aber leider keine Tofupresse zu kaufen. Macht keiner selbst, kauft jeder in Ungarn oder verwendet lösliches Pulver, haben mir zwei Asia-Shopbesitzer gesagt. Schade.

Foto: Tobias Müller

Genießen Sie Ihren frischen Tofu noch warm und am besten pur – und stellen Sie fest, ob sie Tofu wirklich nicht mögen – oder ob Sie einfach noch nie vernünftigen hatten. Auf dem Foto ist er übrigens zum Frühstück mit Sojasauce, Sesamöl, Essig, Chiliöl, Frühlingzwiebeln, Erdnüssen und Sichuanpfeffer angerichtet.

Foto: Tobias Müller

Wer ihn dennoch lagern will oder muss: Mit Wasser bedecken (täglich wechseln) und vor dem Genuss in leicht gesalzenem heißen Wasser erwärmen. (Tobias Müller, derStandard.at, 14.03.2014)