Absprechen, wie es weitergehen soll: Ernst Strasser (re.) und sein Anwalt Thomas Kralik.

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Wien - Ernst Strasser hatte auch schon einmal mehr zu sagen. Als der frühere ÖVP-Europapolitiker Donnerstagabend nach der Urteilsverkündung im zweiten gegen ihn angestrengten Prozess wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit EU-Richtlinien den Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichtes verließ, konnte er sich gerade einmal zu einem "Schönen Abend!" durchringen.

Auf Expertenseite hatte man zum (vorläufigen) juristischen Ausgang der Lobbyingaffäre – dreieinhalb Jahre Haft, nicht rechtskräftig – hingegen einiges zu sagen. Der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer etwa rechnet – anders als Strassers Anwalt Thomas Kralik – im Gespräch mit derStandard.at nicht mit einer neuerlichen Aufhebung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof: "Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen."

Er habe den Eindruck, dass sich die Richterin in der Urteilsbegründung durchaus bemüht habe, genau diesen vom Obersten Gerichtshof reklamierten fehlenden Bezug zu einer konkreten EU-Richtlinie herzustellen, für die das Geld gefordert worden sei. Zwar könne er nicht beurteilen, ob sonstige Verfahrensfehler geschehen sind, aber: "Es wäre vollkommen absurd, wenn die Richterin nach diesen intensiven Diskussionen nicht besonderes Augenmerk auf diesen Punkt gelegt hätte."

Pannen bei Videoschaltung ohne Bedeutung

Auch die technischen Pannen bei der Videoschaltung zu den britischen Journalisten werden laut Schwaighofer kaum Anlass für Nichtigkeit geben. Das sieht Strafrechtskollege Helmut Fuchs von der Universität Wien anders:"Wenn der OGH sagt, da hätten noch Fragen gestellt werden können, die zur Wahrheitsermittlung beitragen hätten können, kann es sein, dass das Urteil nichtig ist."

Einig sind sich die Experten darüber, dass das Strafmaß, das Strasser ausgefasst hat, zu hoch ist. Fuchs, der Strasser zuvor als Berater zur Verfügung gestanden war, meint: "Dreieinhalb Jahre unbedingte Freiheitsstrafe in diesem Fall, wo es zu keiner wirklichen Manipulation an Rechtsakten gekommen ist, das halte ich nicht für gerechtfertigt."

Fuchs hat seine Rechtsmeinung gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Lewisch der Strasser-Verteidigung auch in einem Gutachten zur Verfügung gestellt: Strasser berief sich in seinem Schlusswort in der OGH-Verhandlung darauf, als er der Justiz vorwarf, ein "verfehltes", von "exzessiver Strenge" gekennzeichnetes, "widersprüchliches, nichtiges" Urteil gegen ihn verhängt zu haben.

Strafmaß "völlig überzogen"

Bei Schwaighofer klingt das so: "Mir ist die Reduktion (von vier auf dreieinhalb Jahre Haft, Anm.) noch immer viel zu wenig. Ich habe die vier Jahre völlig überzogen gefunden und halte auch die dreieinhalb Jahre für überzogen." Er argumentiert mit Strassers Unbescholtenheit und dem Fakt, dass nie Geld geflossen ist. Schwaighofer: "Ein bewaffneter Bankräuber, der unbescholten war und kein Geld erbeutet hat, würde sicher nicht mehr kriegen." Für Schwaighofer sind bereits die Strafdrohungen (zwischen ein und zehn Jahren) "zu hoch".

Jetzt geht der Akt Strasser weiter an den OGH, der aller Voraussicht nach nur über die Nichtigkeitsbeschwerde befinden und die Entscheidung über die Höhe der Strafe an das Oberlandesgericht übertragen wird. (Karin Riss, derStandard.at, 14.3.2014)