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Das Karrierekapital steigt im Laufe des Berufslebens. Vieles an Kompetenz und Wissen trägt man immer bei sich, anderes lässt man gerne liegen.

Foto: AP/PATRICK GARDIN

Zu Beginn einer Karriere hängt man sich einen Rucksack um, der fortan mit Wissen, Kompetenzen, Fähigkeiten und Kontakten gefüllt wird und überall hin mitgenommen werden kann. Egal wo man diesen auspackt, es warten keine Überraschungen, weil ohnehin klar ist, was drinnen ist. So einfach, so falsch.

In der Forschung hat sich in diesem Zusammenhang der Begriff des Karrierekapitals etabliert. Damit ist nicht nur ökonomisches Kapital wie Geld beziehungsweise Besitztümer gemeint, sondern auch kulturelles und soziales Kapital.

Entscheidender Unterschied

Während Letzteres Kontakte und den Zugang zu einem hilfreichen Netzwerk meint, bezieht sich kulturelles Kapital auf all das, was im Laufe der eigenen Sozialisation erworben wurde und wird, wie etwa Ausbildungen und Interessen. Jeder verfügt über ein Kapitalienportfolio, in dem sich die drei Kapitaliensorten in verschiedener Menge und Zusammensetzung befinden.

Diese Ausstattung macht einen entscheidenden Unterschied. Der Soziologe Pierre Bourdieu sieht darin beispielsweise einen Grund für den jeweils typischen "Geschmack" verschiedener sozialer Klassen.

Ähnlich wie bei Geld können die Kapitalien gesammelt, eingesetzt und umgetauscht werden. Allerdings ist es nicht egal, wo und wann der Rucksack wieder geöffnet wird. Es hängt stark von dem Umfeld ab, was sie überhaupt wert sind.

Einschränkung und Ermöglichung

Die Wertigkeit verschiedener Kapitalien wird insbesondere bei Jobwechseln über gewisse Grenzen hinweg sichtbar, wie sich in diversen Studien zeigt. So sind selbst gutausgebildete Migranten, die aus der Türkei nach Großbritannien kamen, auf Einrichtungen im Zielland angewiesen, um ihre im Heimatort erworbenen Kapitalien zu validieren.

Frauen, deren klassisch feminine Kapitalien im Felde der Pflege hochgeschätzt werden, stoßen bei Führungspositionen im selben Feld an Grenzen, da dort typisch maskuline Attribute wie etwa Durchsetzungsfähigkeit als wesentlich erachtet werden. Egal ob es sich dabei nur um Zuschreibungen oder tatsächliche Unterschiede handelt, die Kapitalienausstattung ermöglicht Dinge und schränkt gleichzeitig ein.

Wir haben uns im Rahmen unserer Absolventenstudie auch mit anderen Grenzen, nämlich jenen zwischen den Tätigkeitsfeldern von Angestellten und Selbstständigen auseinandergesetzt. Es scheint einfacher zu sein, von einem Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit zu wechseln als umgekehrt.

Mögliche Grenzen

Ist einmal das Startkapital erworben oder über soziale Kontakte bereitgestellt und eine entsprechende Ausbildung absolviert, sind die Voraussetzungen für den Eintritt in die Selbstständigkeit erfüllt.

Bei einem geplanten Wechsel in eine Organisation entpuppt sich die in der Selbstständigkeit wesentliche Autonomie als mögliche Grenze, da Skepsis besteht, wie "eingliederungsfähig" diese Personen noch sind.

So mag es sein, dass sich der Rucksack als Fallschirm entpuppt, der für eine mehr oder weniger weiche Landung im neuen Zielfeld sorgt. Dort wird dann der Wert der noch darin enthalten Kapitalien verhandelt und neue geschaffen. (Markus Latzke, DER STANDARD, 15.3./16.3.2014)