Christian Dolezal hält im Rabenhof die Oberschenkel steif: in der Rolle des Schriftstellers Thomas Glavinic. 

Foto: Tanja Nistelberger

Wien - Die Vermessung der Welt des Thomas Glavinic heißt Das bin doch ich. Der Roman erschien 2007 bei Hanser und hat aufgrund seines ambivalenten Verhältnisses zur Wirklichkeit Aufregung im Literaturbetrieb generiert. Denn das Buch ist bevölkert von Figuren der Wiener Kulturszene (von welchen "Mailath-Pokorny", der amtierende Stadtrat, die berühmteste ist), es handelt von einem Ich-Erzähler mit Namen Thomas Glavinic und zieht Kreise um das Rabenhof-Theater.

Genau dort hat die Realo-Belletristik nun Theaterpremiere gefeiert (bearbeitet von Christian Dolezal und Fabian Pfleger). Regie führte einer, der im Roman selbst charmant karikiert vor- und auch glimpflich davonkommt: Thomas "Seeas!" Gratzer.

Der Abend versucht es mit einer Glavinic-Lounge und lullt das Publikum bis zum um 15 Minuten verspäteten Beginn mit guter Popmusik ein. Wir hören, was er so hört (Wow and Flutter von Stereolab). Dann schleppt sich die Ich-Figur in Gestalt Christian Dolezals endlich herein - mit großem Wasserglas, denn der Schreiberling hat einen Brand. Elf oder dreizehn Gspritzte waren es am Vorabend, das ist ungesund.

Apropos: Glavinic (der im Roman) ist Hypochonder und laboriert an der Zwangsvorstellung, alsbald an Hodenkrebs zu erkranken. Die Bühne ist diesbezüglich erfreulicherweise abstrakt gehalten. Lediglich Leuchtstoffröhren signalisieren je nach Farbgebung Stimmungen und herrschende Temperaturen. Der Dichter ist nämlich kein Stubenhocker, er geht mutig unter Leute. Dazu zählt die Großtat, sich zu einem Familientreffen auf dem Land eingefunden zu haben; oder die Tatsache, mit dem redseligen Schwiegervater ("Das wird dich jetzt interessieren") im Sessellift steckengeblieben und dennoch nicht abgesprungen zu sein.

Diese im Rabenhof vor allem soundtechnisch schön unterstützten Dialogszenen sind witzig und helfen über andere halbgare Schriftsteller-allein-zu-Hause-Pointen hinweg. Dolezal, Gründungsmitglied der Sofa Sufers, switcht grimassierend zwischen den Rollen und klingt beim Intonieren dysfunktionaler Gespräche bisweilen, wie eine Zitrone schmeckt. Das Publikum jault immer wieder vor Vergnügen auf, wenn sich der arme Dichter bauchpinselt: Steht er doch unter der Fuchtel seiner Oma, die ihm vorschreibt, wen er wie zu grüßen habe. Und weinerlich knickt er vor den Verkaufzahlen seines Kollegen Daniel Kehlmann ein.

Diesen koketten Ton des Understatements spielt Dolezal voll aus. Doch - Verzeihung - was geht's uns an? Ein Ego mehr. Diese Introspektion will aber auch gar nicht mehr sein als ein angenehmer Pausenfüller. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 14.3.2014)