Bei der Arche Noah lagern rund 6000 alte Sorten. Sie bleiben legal im Regal.

Foto: Christian Fischer

Straßburg - Nach dem großen Knaller im Europaparlament wurde EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg mehrfach zum Rücktritt aufgefordert. Bis zum Schluss hatte jener noch für die Annahme der höchst umstrittenen EU-Saatgutverordnung geworben. Ein "grenzwertiger" Auftritt, wie Karin Kadenbach, SPÖ-Europaabgeordnete und sozialdemokratische Verhandlerin zum Saatgut-Dossier danach urteilte. Schließlich habe der EU-Kommissar Kritikern unterstellt, den Entwurf schlicht nicht verstanden zu haben.

Leicht verständlich ist hingegen das Abstimmungsergebnis im Europaparlament, das auch von NGOs als historisch gewertet wird: Der Kommissionsentwurf zur Saatgutverordnung wurde am Montag von den Abgeordneten mit 650 Stimmen abgeschmettert - mit nur 15 Gegenstimmen. Eine Mehrheit von 511 Abgeordneten sprach sich überdies dafür aus, das Verfahren in erster Lesung formal abzuschließen.

Vorschlag vom Tisch

Das heißt: Der vorgelegte Entwurf ist damit endgültig vom Tisch. Will die Kommission an dem Vorhaben, die bisherigen zwölf EU-Richtlinien durch ein neues Gesetz zu ersetzen, festhalten, müsste ein völlig neuer Vorschlag vorgelegt werden.

"Die Saatgutverordnung ist tot", jubelte auch Iga Niznik von der Gesellschaft zur Erhaltung und Verbreitung der Kulturpflanzenvielfalt, Arche Noah. Diese hatte gemeinsam mit Global 2000 allein in Österreich 400.000 Unterschriften gegen den Kommissionsentwurf gesammelt, europaweit waren es rund 800.000 unterschriftswillige Gegner.

Nicht einmal verschenken

Hintergrund: Die Arche Noah hat beispielsweise Samen von rund 6000 alten Sorten im Archiv, davon vor allem Gemüse. Derzeit betreibe die Gesellschaft in Österreich eine Kooperation mit der Handelskette Spar, im Rahmen derer etwa 20 Sorten verkauft würden. Dies wäre mit der EU-Saatgut-Verordnung nicht mehr möglich gewesen, sagte Niznik. Denn Bauern hätten historisches Saatgut ohne Auflagen nicht einmal mehr verschenken dürfen, erläutert Niznik.

Jetzt sei die EU-Kommission gefordert, das Saatgutrecht so weiterzuentwickeln, dass es "dem Schutz der Biodiversität, der weltweiten Ernährungssicherheit und den Rechten der Bäuerinnen und Bauern dient", forderte die Biobauern-Organisation Bio Austria. (APA, frei, DER STANDARD, 13.3.2014)