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Firmen suchen qualifizierte Mitarbeiter, das Arbeitsplatzangebot in Wien ist um zehn Prozent höher als im Vorjahr - und trotzdem stieg die Zahl der Menschen ohne Erwerbsarbeit.

Foto: APA/Techt

Wien - Das Wiener Arbeitsmarktservice (AMS Wien) will im Herbst Schluss machen damit, Arbeitssuchende zwangsweise zur Teilnahme an sogenannten "Aktivierungskursen" zu vergattern. Diese Maßnahmen stehen seit Jahren in der Kritik, insbesondere bei Betroffenen, die wider Willen in Trainings für Bewerbungsgespräche oder die Erstellung von Bewerbungsunterlagen geschickt werden. Workshops wie diese in der sechswöchigen "Aktivierungsphase" sollen bald nur mehr auf Freiwilligkeit basieren.

Derzeit läuft laut AMS-Wien-Chefin Petra Draxl die Ausschreibung für neue Kursangebote und Trägerorganisationen, ab November soll das neue Regime in Kraft treten. Diese Aktivierungsphase ist nicht zu verwechseln mit Qualifikationskursen, Aus- oder Weiterbildung etwa für die Erwerbung von Grundkompetenzen wie EDV, Alphabetisierung, Pflichtschulabschluss. Bei diesen Angeboten für konkrete Arbeitssuche, die unter den Rubriken "Neu starten", "Rasch zum Job" und "ACE Aktivierung, Coaching, EDV" angeboten werden und zuletzt von 23.000 bis 27.000 Arbeitslosen durchlaufen werden musste, habe es die meisten Beschwerden gegeben, räumte Draxl ein.

Künftig sollen die Teilnehmer aus rund 20 Angeboten ein Programm für sich zusammenstellen können. Wer ein Präsentations- oder Stimmtechniktraining bevorzuge, müsse nicht notwendigerweise ein Bewerbungstraining absolvieren. Probleme gab es in der Vergangenheit immer wieder, weil Betroffene Qualität und Effizienz der Maßnahmen ebenso kritisiert hatten wie die Zusammenstellungen der Kursgruppen.

Wenn Praxis fehlt

Die AMS-Führung lässt die Kritik nicht pauschal gelten. "Unterstützung bei der Arbeitssuche ist besonders wichtig", sagt Draxl. Denn es sei logisch, dass jemand keine Praxis in Bewerbungstechnik habe, wenn er 20 oder 30 Jahre erfolgreich in einem Job war.

Am meisten Kritik kam laut Draxl von Personen mit höherer Bildung (ab Matura), insbesondere von Akademikern. Sie fühlten sich unterfordert, bisweilen sogar gefrotzelt durch wenig spezifizierte Pflichtmaßnahmen. Für sie soll es im Herbst eine eigene Akademikerschiene geben. Sie sieht Einzelcoachings und -beratung vor, verstärkte Vernetzungsmöglichkeit der Teilnehmer und vor allem: Trägerorganisationen, allen voran die Wirtschaft, sollen im Rahmen des "Service für Unternehmer" (SFU) direkt mit Schulungsteilnehmern in Kontakt treten können. Die Erstberatung bei einem AMS-Berater bleibt ihnen dennoch nicht erspart. Er muss ausloten, was für Klienten nützlich erscheint und passt. Das bleibt eine Herausforderung, denn statistisch gesehen hat der Berater dafür pro Person 7,5 Minuten Zeit.

Wie gut das neue Baustein-System (Arbeitstitel: AMS-Jobwerkstatt - Personalberatung) im Volumen von 16 Millionen Euro angenommen wird, bleibt abzuwarten. Es sei für 16.000 konzipiert, aber ausbaufähig, sagt Draxls Stellvertreter, Winfried Göschl. Zum Vergleich: 2013 durchliefen 27.000 Personen oder fünf Prozent das Aktivierungsangebot. Das Gesamtjahresbudget des AMS Wien beträgt 372 Millionen Euro. (ung, DER STANDARD, 12.3.2014)