Der Steirer Timo Gesslbauer (19) ist eine der großen Hoffnungen im österreichischen Handball.

Foto: ÖHB

Wien - Die Kunst, langfristig zu denken, beherrscht nicht jeder. Eine Gegenbewegung zur Turbogesellschaft symbolisiert quasi der Österreichische Handball Bund (ÖHB). Ein Nachwuchsprojekt wurde initiiert, das den hoffnungsreichen Nationalteamjahrgang 1994, kurz das Team 94, in die Ferne schickt, um Titel zu holen. Die Ferne, das ist das "Projekt 2020" und die Handball-EM, um die sich Österreich zum zweiten Mal nach der erfolgreichen Austragung 2010 bewirbt.

Um sich das auf das Nahziel Junioren-Heim-EM diesen Sommer vorzubereiten, spielt das Team 94 gegen die zehn Bundesligisten der Handball Liga Austria (HLA). Außer Konkurrenz, für die Gegner allerdings geht es um Punkte. Der ÖHB hat ein Sonderbudget von 200.000 Euro aufgestellt, 80 Prozent der Fördergelder kommen aus dem Topf des Projektes "Rio 2016", 20 Prozent steuert Red Bull bei, das erstmals im Handball engagiert ist, junge Sportler entwickeln will. Über Roland Marouschek, vormals Vorstand bei Bene Büromöbel und nun Teamchef der 94er, und einige Red-Bull-Mitarbeiter mit Handball-Vergangenheit bei West Wien kam der Kontakt zustande.

Es gibt klare Regeln. Die Vereine zahlen die geringen Gehälter der Junioren weiter, geht es für einen Spieler gegen seinen Stammklub, muss dieser fürs Nationalteam antreten. In den Abstiegskampf wurde bereits eingegriffen. Leoben und Ferlach haben das Team 94 nicht gut in Erinnerung. Ein Vereinsverantwortlicher von einem der beiden Bundesligisten fragte sich in der Niederlage: Warum beschäftige ich überhaupt Legionäre? "Das hat Signalwirkung", sagt ÖHB-Generalsekretär Martin Hausleitner. Die Bilanz des Team 94 aus fünf Partien im unteren Playoff: zwei Siege, zwei Niederlagen, ein Remis.

Vorreiter Volleyball

Peter Kleinmann, Verbandspräsident im österreichischen Volleyball, findet die Idee des ÖHB "auf jeden Fall positiv", seine Volleyballer waren aber die Pioniere auf diesem Gebiet. "Die Zeitungen haben damals geschrieben, dass Frank Stronach im Fußball Nationalteams in der Liga mitspielen lassen will. Wir haben es dann einfach gemacht", sagt Kleinmann. Das junge Herren-Team bereitete sich auf die Heim-EM 2011 in der Mitteleuropäischen Volleyball-Liga vor. "Wir haben bei der EM zwar kein Spiel gewonnen, jetzt spielen aber acht Österreicher im Ausland, vorher war es nur einer. In der eigenen Liga zu testen ist innovativ, du darfst aber keine Mauer um dich herum bauen. Da ist schon die chinesische Kultur untergegangen. Der internationale Vergleich ist wichtig."

Die Gefahr, junge Talente von Profitruppen abwatschen zu lassen, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Was freilich nicht im Sinne des Erfinders wäre. Im österreichischen Basketball scheitert jegliche Vorwärtsbewegung an der Vereinsmeierei. Klubs wollen während der Saison keine Spieler fürs Nationalteam abstellen, es herrscht ein Wettbewerb um die wenigen großen Talente. "Über ein Junioren-Team in der Liga wurde gesprochen. In der Bundesliga würde es wohl kaum Sinn machen, in der B-Liga aber sehr wohl. Weiter als in die Vordiskussionsphase kam das Thema aber nie", sagt Robert Langer, ehemaliger Sportkoordinator des Österreichischen Basketballverbandes (ÖBV), mittlerweile Coach bei den Dukes Klosterneuburg. "Der ÖHB ist uns drei Schritte voraus. Beim Handball hat der Verband auch eine stärkere Position gegenüber der Liga. Das Nationalteam ist das Aushängeschild und die Erfolge geben den Verantwortlichen recht."

Im Eishockey haben ebenfalls die Vereine die Hosen an. Mit den Young Stars (U20) und den Juniors (U18) hat die Eishockey-Liga (Ebel) zwei länderübergreifende Nachwuchsligen. Die U20-WM findet immer im Dezember statt, also im ersten Drittel der Saison. Nach einer kurzen Trainingswoche, laut Dieter Kalt waren es im vergangenen Jahr 16 Einheiten, ist das Nationalteam danach wieder lange kein Thema mehr. Salzburg versammelt die größten Talente des Landes, spielt gemeinsam mit München in einer Nachwuchsliga der russischen KHL und fliegt mehr Kilometer als manch NHL-Team in Amerika. Vorarlberger Vereine sind in der Schweiz engagiert. In der Juniors-Liga stehen 45 bis 65 Spiele in einer Saison an. Ein Kriterienkatalog der Ebel zwingt die Vereine, in die Nachwuchsarbeit zu investieren, wollen diese 100 Prozent der Sponsorengelder einstreifen.

Internationales Vorbild

Das Konzept des ÖHB findet jedenfalls internationale Beachtung. Der deutsche sowie der polnische Handballverband haben sich bereits erkundigt. "Wir wollen zeigen, dass wir mit konsequenter Nachwuchsarbeit Spieler produzieren können, die auf höchstem Niveau agieren", sagt Hausleitner. Fängt etwas Neues an, geht etwas Altes zu Ende. Österreichs goldene Handball-Generation existiert nicht ewig, im Juni steht ein Playoff-Duell um die WM-Teilnahme mit Norwegen an, Olympia ist weit weg. Es gilt, den berühmten Umbruch zu schaffen. Langfristig gesehen halt. (Florian Vetter, DER STANDARD, 10.03.2014)