Berlin - Wenn sich die gesellschaftliche Situation von Frauen verbessert, stärkt das die Demokratisierung - zu diesem Schluss kam eine internationale Studie. Jianghong Li vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat mit den australischen ForscherInnen Paula Wyndow und Eugen Mattes den direkten Zusammenhang zwischen der Lage von Frauen und dem Zustand der Demokratie belegt. Die Wissenschaftler haben Daten aus 123 Ländern ausgewertet, die 1980 nicht demokratisch waren, und von denen viele in den Jahren bis 2005 den Weg der Demokratisierung gingen. Fazit ihrer Analyse: Fortschritte in der Mädchen- und Frauenbildung, ein Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit und sinkende Geburtenraten sind ein wichtiger Motor für die Demokratisierung.

Das Forscherteam hat bewährte Demokratie-Indikatoren (Polity IV) für die Berechnung der Demokratie-Entwicklung, Arbeitsmarkt- und Fertilitätsdaten der Weltbank und die Datensammlung Barro & Lee über die Bildungsbeteiligung von Mädchen und Frauen über 15 Jahren genutzt.

Drei Faktoren

Paula Wyndow, Jianghong Li und Eugen Mattes haben die verbreitete These geprüft, Demokratie sei entscheidend für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Lage von Frauen - und diese widerlegt. So unterschiedliche Länder wie Brasilien, Mexiko, Bulgarien, Südkorea, Thailand, Südafrika oder Simbabwe zeigen laut den Studienautoren vielmehr, dass die Chancen auf eine demokratische Entwicklung größer sind, wenn Mädchen schon länger Bildung genießen, Frauen am Berufsleben teilnehmen und die Geburtenrate sinkt. Das Zusammenspiel aller drei Faktoren sei dabei entscheidend: eine niedrige Geburtenrate oder eine hohe Erwerbsquote von Frauen allein wäre noch nicht demokratiefördernd. Einflüsse wie der Grad der Verstädterung, die Höhe des Bruttoinlandsprodukts, das Wirtschaftswachstum, die öffentliche Verschuldung oder Religion spielten dagegen keine Rolle.

Ausnahme China

Es gibt nur eine Handvoll Ausnahmen, darunter China. Dort sind zwar die entscheidenden Indikatoren gegeben, aber die Geburtenrate ist auf Grund der staatlichen Ein-Kind-Politik so niedrig, dass sich die Bevorzugung von Jungen und die Diskriminierung von Mädchen verstärkt hat.   

Die WissenschafterInnen erwarten, dass der Wandel der weiblichen Lebenswelten auch in Zukunft eine treibende Kraft des politischen Wandels in Ländern sein wird, die noch keine Demokratien sind. "Es gibt zwar einige Ausnahmen" sagt Jianghong Li, "aber der Beleg für diesen globalen Trend ist überwältigend. Wenn sich die Situation von Frauen verbessert, wenn Frauen Chancen jenseits des eigenen Haushalts ergreifen, sich vernetzen und Rechte einfordern, werden weitere Länder demokratischer und bestehende Demokratien stabiler." (red, dieStandard.at, 6.3.2014)