Die Grundformationen zu Beginn bevorzugten Österreich im Mittelfeld.

Grafik: ballverliebt.eu

Österreichs Mittelfeldzentrale hatte aus einer strukturellen Überzahl heraus keine Skrupel, weit aufzurücken. Der tief hineingedrängte Gegner konnte sich daraus in der erste Hälfte kaum befreien.

Screenshot: ORF

Luis Suarez auf der Suche nach dem Ball, wie so oft weit weg vom ÖFB-Tor (hier dunkel markiert), und sonst kein Uruguayer, der in die von den Roten dominierte Zentralregion eindringt: So hatte Österreich keine Probleme zu verteidigen.

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Oscar Tabarez reagierte zur Pause, indem er Stürmer Forlan durch einen Mittelfeldspieler ersetzte, was seiner Mannschaft mehr Offensive erlaubte.

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Plötzlich zu dritt: Die Narrenfreiheit im Mittelfeld war damit für den ÖFB zu Ende, und der Abstand zwischen zentralem Mittelfeld und Marc Janko wuchs, was spätestens mit der Herausnahme von Junuzovic gegen den etwas offensiveren Hinterseer zu klaren Vorteilen für Uruguay führte.

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Es ist schon ein spannender Wandel der Zeiten. Jahrelang hatte Österreich ein Team, das vor allem gegen aktive Mannschaften gut aussah. Wenn man kontern konnte, statt das Spiel zu machen, sah man oft besser aus. Mittlerweile vernimmt man den gegenteiligen Befund: Man habe noch Schwierigkeiten, dem Gegner das Spiel zu überlassen.

Österreich hat gegen den WM-Vierten von 2010 und immer noch amtierenden Südamerika-Meister (der zwar nicht mehr in der Form von 2011 spielt, aber immerhin noch im Oktober in einem Bewerbsspiel Argentinien besiegt hatte) einmal mehr ein Zeugnis seiner positiven Entwicklung abgelegt. In der ersten Hälfte setzte man den Gegner unter Druck, kombinierte gefällig, ging verdient in Front, hatte und vermittelte sichtlich Spaß an der Übung. Wie Ende 2013 in Solna, als man Schweden eine Halbzeit lang an die Wand spielte.

Der zweite Teil des Gameplans von Marcel Koller - sich zurückzufallen lassen, das Ergebnis verwalten, Kräfte schonen und Konter auszuspielen - ging aber wie damals in die Hose. Auch weil der Gegner, zwar nicht in Bestform und –besetzung auftrat, wohl aber die Klasse zur Reaktion ins bedrückend stimmungslose Wörtherseestadion mitbrachte.

Die Mitte macht den Unterschied

Österreich (4-2-3-1) hatte Uruguay (4-4-2) in der ersten Hälfte vor allem im Zentrum des Feldes klar im Griff. Man hatte dort per Design einen Spieler mehr zur Verfügung und ließ den Gegner kaum zu Bällen kommen, geschweige denn ihn kontrolliert nach vorne spielen. Das ÖFB-Mittelfeldtrio (Alaba, Leitgeb und Junuzovic) hingegen traute sich umso mehr nach vorne zu drücken. Perez und Arevalo wurden überrannt. Einen Anker-Sechser ließ Österreich aus Mangel an Gefahr im Rückraum erst gar nicht zurück.

Bedauerlicherweise fehlte im Angriffsdrittel häufig die letzte Präzision (was prinzipiell ja auch für den Führungstreffer gilt), um gefährlich vor das Tor zu kommen. Eben deshalb wurde oft aus der zweiten Reihe geschossen - und das meistens von Junuzovic. Harnik und Arnautovic erfüllten eher die Rolle der Zulieferer und Gegenpresser, sie wurden selbst kaum  torgefährlich.

Uruguay hat keinen Janko

Bei Ballbesitz genoss man reichlich Platz und musste man das Mittelfeld doch einmal per Abschlag überbrücken (meist wenn die Außenspieler Uruguays in die Mitte rückten), stand mit Janko ein traditionell guter Ballbehaupter und -weiterleiter (siehe die Brustvorlage zum Junuzovic-Elferalarm) zur Verfügung. Ein solcher fehlte den Gästen. Die Uruguayer mussten sich oft auf Abschläge verlassen, wobei die Anspielstationen mit Österreichs Innenverteidigern schwere Konkurrenz hatten.

Die tiefe Positionierung und Konter-Orientierung war strategisch sicher ein Problem für die  Mannschaft von Oscar Tabarez. Mit Cavani fehlte dem Team ein schneller Angreifer, stattdessen stand mit Forlan ein Anti-Sprinter zur Verfügung. Liverpool-Star Suarez war isoliert, musste sich die Bälle weit weg von Gefahrenzonen holen und wurde zudem vom stark spielenden Salzburg-Innenverteidiger Hinteregger abmontiert (weshalb er sich in der zweiten Hälfte eher an Aleksandar Dragovic orientierte, dem etwas die Matchpraxis fehlt).

Und Tabarez bemerkte das Problem

In einem Bewerbsspiel wären die Gäste in der ersten Hälfte mit mehreren rotgefährdeten Spielern dagestanden. Die für ein Freundschaftsspiel ungewohnte und auch für Bewerbsspiele überharte Gangart ließ der deutsche Schiedsrichter Deniz Aytekin an diesem Abend aber lange Zeit durchgehen. Mit den weniger limitierten Wechseln und den ausbleibenden Verwarnungen konnte Tabarez in der Pause rein taktisch reagieren, nahm Forlan vom Platz und stellte auf ein 4-1-4-1-System um - ein schönes Anschauungsbeispiel gegen den Irrglauben, dass mehr Stürmer automatisch ein offensiveres System bedeuten.

Koller brachte Ivanschitz statt Harnik. Der Levante-Legionär wechselte dann auf die linke, Arnautovic auf die rechte Seite. Beide hatten fortan defensiv zu viel zu tun, um sich offensiv noch oft einzuschalten. Uruguays personelle Unterzahl im Zentrum war mit der Umstellung beendet. Österreich musste gegen die vielen nun kaum unterbindbaren Spielverlagerungen der Gäste viel Laufarbeit beim Verschieben leisten. Und als die Kräfte im ÖFB-Team schließlich schwanden, übernahmen die Gäste das Kommando. Und so hing man nach einem schwach verteidigten Standard, der das 1:1 brachte, im Schlussdrittel der Partie oft ein wenig in den Seilen.

Die eher positionsgetreuen Einwechslungen von Kavlak (Leitgeb) und Hinterseer (Junuzovic) brachten dabei keine Veränderung. Nun kamen plötzlich auch die Außenbahnen der Gäste besser ins Spiel. Österreichs Bundesliga-Außenverteidiger Suttner und Klein, die nach vorne selbst nicht mehr in Erscheinung traten, hatten es nun mit aus vollem Lauf kommenden Gegenspielern zu tun und diesen wenig entgegenzusetzen. Österreich fehlten gegen Uruguay die Antworten (vielleicht schlicht ein defensiv dominanterer Mittelfeldspieler wie der leider langzeitverletzte Baumgartlinger) auf diese geänderten Bedingungen, die Reaktion auf die Reaktion blieb aus.

Gegenstoß-Konzept unausgereift

Was man bei Österreich im "Ergebnis halten"-Modus noch nicht sieht, ist eine aktive Beeinflussung des Gegnerverhaltens. Wenn man Offensivpressing betreibt, sind oft klare Strukturen zu erkennen, wie man den Gegner in Zwickmühlen bringen will. Steht man hingegen tief, wirkt es, als würde man dessen Angriffe auf sich einprasseln lassen. Man steht zwar kompakt und verschiebt gut genug, um nicht völlig aufgerissen zu werden, wie man aber zu einem kontrollierten Ballgewinn und schnellen Gegenstoß kommen könnte, scheint in vielen Situationen nicht klar.

Erschwerend kommt hinzu, dass Ivanschitz, Janko und (zumindest ein von viel Defensivarbeit müde werdender) Arnautovic im Gegensatz zu Kaderangehörigen wie (dem bereits ausgewechselten) Harnik, Weimann und Sabitzer auch der Speed im Konter etwas abgeht. Die jeweilige Zusammensetzung dieser Angriffsachse schien am Mittwoch nicht optimal der beabsichtigten Übung angepasst. Dass man in Bewerbsspielen nur höchstens drei Wechsel für den Strategiewechsel zur Verfügung hat, wird die Sache nicht vereinfachen. (Tom Schaffer, derStandard.at, 6.3.2014)