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Pianist und Dirigent Vladimir Ashkenazy über ein Treffen mit Michail Gorbatschow: "Er meinte, die Musik sei für ihn etwas anstrengend gewesen, er übergab mir aber tatsächlich zwei Dutzend Rosen!"

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Der Schweizer Klarinettist Dimitri Ashkenazy.

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Wien - Vladimir Ashkenazy ist nicht nur ein impulsiver Musiker, er ist auch eine Art Jukebox der erzählenswerten Geschichten: "Als ich nach 26 Jahren wieder nach Russland kommen konnte, wollte ich Michail Gorbatschow treffen. Leider ließ er sich von einem Sekretär entschuldigen. Es hieß, Gorbatschow habe am Abend leider keine Zeit, er sei sehr beschäftigt. Und wissen Sie, womit er beschäftigt war? Es war die Nacht, in der die Berliner Mauer fiel!"

Ashkenazy, der als preisgekrönter Pianist 1963 die Sowjetunion verlassen hatte, begriff dies am nächsten Morgen, als er fernsah. Und er wundert sich noch heute über die Zufälle, die das Leben so bietet: "Ich komme nach so vielen Jahren nach Russland zurück und dann das - man kann nichts planen." Vor vier Jahren klappte es dann: "Ein Freund hat Gorbatschow meinen Wunsch übermittelt, ihn bei meinem Konzert begrüßen zu dürfen. Und er kam."

In der Pause sei man zusammengekommen: "Er meinte, die Musik sei etwas anstrengend für ihn gewesen, er gab mir aber tatsächlich zwei Dutzend Rosen! Es war doch ich, der ihm danken musste, dass ich in Russland sein konnte!" Sohn Dimitri Ashkenazy kann bis dato nicht mit solch Geschichten aufwarten. Doch jemand, der mit einem derart arrivierten Namen bekränzt ist, lebt schon in einer interessanten Situation. "Ich habe den Namen zwar nie als besonderen Druck empfunden - der Druck kommt eher von mir selbst, von meiner Selbstkritik. Es gab Situationen, in denen er sogar ein Vorteil war. Es gab allerdings auch schwierige Momente, da die Leute eher dazu tendieren, einen immer wieder nur als Sohn zu sehen und nicht als eigenständiges Individuum mit eigenen Rechten."

Familiäre Musik

Dass man nun eine Duo-Einspielung (Vater Vladimir am Klavier, Sohn Dimitri an der Klarinette) aufgenommen habe, stellt keine familiäre Erstbegegnung auf dem Musikparkett dar: "Erstmals spielten wir zusammen, als ich mich auf die Aufnahmeprüfung in Luzern vorbereitet habe. Ich war zwanzig. Seit damals haben wir viel musiziert", so Dimitri, und Vater Vladimir ergänzt: "Natürlich bin ich froh, dass er Musiker wurde. Aber beim Musikmachen ist es so: Wenn du mit jemandem spielst, funktioniert es oder eben nicht. Ob das ein Verwandter ist oder nicht, spielt keine Rolle. Wir denken zwar ähnlich, der Kontakt zu meinen anderen vier Kindern ist aber natürlich auch sehr gut, obwohl sie keine Musiker wurden."

Auch habe er Dimitri schon am Anfang vermittelt, dass er mit dem Wunsch, Musiker zu werden, ein hohes Maß an Ungewissheit wählt: "Es war seine Entscheidung, wobei: Ob er eine erfolgreiche Karriere haben würde, war unmöglich vorauszusagen. Ich sagte: Wenn es keine grandiose Karriere wird, dann gräme dich nicht, denn die wichtigste Sache ist die Musik. Vielleicht wirst du nicht eine Karriere haben wie Rachmaninow, aber du kannst dennoch Erfolg haben. Das Wesentliche ist: Wenn es dich danach drängt, musst du es versuchen."

Ist alles gut gegangen: Dimitri Ashkenazy, 1969 in New York während einer Tournee des Vaters geboren und nun in der Schweiz beheimatet, ist international tätig - man hörte ihn sogar in der nicht unbedingt kleinen Hollywood Bowl in Los Angeles. Kammermusik scheint ihm jedoch eher ein Anliegen zu sein. So ist ein tieferes Durchleuchten der Werke möglich. Schließlich ist ihm die Maxime "Spiel die Musik und nicht das Instrument" essenziell und ein Hinweis auf den Drang, über rein Handwerkliches hinauszugelangen.

Auf der neuen CD father & son, beim Wiener Label Paladino erschienen, das gerade seinen fünften Geburtstag feiert, kann man es denn auch klangschön nachhören. Und vielleicht gibt es auch einen zweiten familiären CD-Teil, wobei man das in mageren CD-Zeiten nicht so genau sagen könne. Quasi Familiäres ist allerdings ausreichend am Markt: Decca hat die Arbeit von Vater Vladimir ausgiebig dokumentiert - zu einer Zeit, als zumindest das Plattenleben reich war. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 6.3.2014)