Brüssel/Berlin - Die EU-Kommission rügt die enormen deutschen Exportüberschüsse und fordert die Bundesregierung zum Gegensteuern auf. "Die Leistungsbilanz weist einen anhaltenden Überschuss auf sehr hohem Niveau aus", schrieb die Brüsseler Behörde in ihrer am Mittwoch veröffentlichten Analyse zu den wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Euro-Zone. "Das spiegelt eine hohe Wettbewerbsfähigkeit wider, ist aber auch ein Zeichen für ein anhaltend gedämpftes Binnenwachstum und dafür, dass Ressourcen nicht effizient eingesetzt werden."

Angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft - sie ist Europas Nummer eins - sei eine Korrektur notwendig, erklärte die Kommission. Die Regierung müsse vor allem die Binnennachfrage ankurbeln. "Zentrale politische Herausforderungen sind daher höhere Investitionen", schrieb die Kommission. Das Angebot an Arbeitskräften müsse weiter gestärkt, die Effizienz in allen Bereichen der Wirtschaft gesteigert und der Dienstleistungssektor von Fesseln befreit werden.

Deutschland hat 2013 Waren im Wert von rund 199 Milliarden Euro mehr exportiert als importiert. Das ist nicht nur der bislang größte Exportüberschuss der deutschen Geschichte, sondern auch der größte weltweit. Die USA, aber auch der Internationale Währungsfonds (IWF) zählen ihn zu den großen Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft, der für die globale Finanz- und die Schuldenkrise in Europa mitverantwortlich ist. Denn Ländern mit Exportüberschüssen stehen welche mit Defiziten gegenüber, die ihre Importe über Schulden finanzieren müssen.

Sanktionen unwahrscheinlich

Der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz - in die auch der Austausch von Dienstleistungen einfließt, aber beispielsweise auch Entwicklungshilfe - entspricht rund sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die EU-Kommission stuft Werte von mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein. Bei einer längeren Fehlentwicklung droht sie ein Bußgeld an.

Das gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich, weil die Behörde bislang noch nie Sanktionen gegen ein Land empfohlen hat. Die Bundesregierung will die Analyse zunächst prüfen und im April dazu Stellung nehmen. Auf dieser Grundlage wird die EU-Kommission dann im Juni länderspezifische Empfehlungen abgeben. Sie geht davon aus, dass der Leistungsbilanzüberschuss in diesem Jahr auf 6,7 und 2015 auf 6,4 Prozent sinken wird. "Es wird eine schrittweise Korrektur der Leistungsbilanz in den kommenden Jahren wegen des stärkeren Wachstumsbeitrags der Binnenwirtschaft erwartet", so die Kommission.

Langfristig schädlich

Die Bundesregierung sieht das ähnlich. Experten des Bundeswirtschaftsministeriums räumen in einem internen Papier, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, gleichzeitig ein, dass "exzessive und dauerhafte Ungleichgewichte" für die Stabilität der Euro-Zone schädlich seien. Bislang hatte die Regierung Kritik an den Überschüssen immer rigoros zurückgewiesen.

Die EU-Kommission sieht indessen wirtschaftliche Probleme vor allem für Italien, Kroatien und Slowenien. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn erklärte am Mittwoch, dass es bei den drei Ländern hauptsächlich um hohe Verschuldung und schwache Wettbewerbsfähigkeit gehe. Italien wird unter Beobachtung gestellt. "Italien muss sein sehr hohes Niveau der Staatsverschuldung und die schwache Wettbewerbsfähigkeit in Angriff nehmen", schrieb die Kommission.

Beides sei für die schwache Konjunktur mitverantwortlich und bedürfte "dringend politischer Aufmerksamkeit". Angesichts der Größe der italienischen Wirtschaft - sie ist die Nummer drei der Währungsunion nach Deutschland und Frankreich - bestehe "Bedarf für entschiedenes Handeln". Die bisher eingeleiteten Schritte "erscheinen unzureichend". (Reuters/red, 5.3.2014)