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Die Periphere Stammzellenspende erfordert keinen operativen Eingriff und hat die Knochenmarktransplantation weitgehend ersetzt. Doch vor allem bei erkrankten Kindern ist Knochenmark auch heute die bessere Therapie-Option.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

311 Leukämiepatienten waren 2013 in Österreich auf eine Knochenmark- oder Blutstammzellen-Spende angewiesen. Voraussetzung für die erfolgreiche Transplantation ist die Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger. Doch diese ist nur in den seltensten Fällen gegeben: Liegt die Wahrscheinlichkeit unter Geschwistern noch bei etwa 25 Prozent, beträgt sie bei nicht verwandten Personen im Durchschnitt nur 1:500.000.

Dass sich dennoch für 80 bis 90 Prozent der Patienten ein geeigneter Spender findet, liegt an der großen Zahl der Freiwilligen, die im internationalen Stammzell-Register eingetragen sind: 23 Millionen potenzielle Spender sind derzeit weltweit erfasst.

Knochenmark oder Blutstammzellen

Um die Kompatibilität zwischen zwei Menschen festzustellen, werden per DNA-Analyse bestimmte Gewebemerkmale – die sogenannten HLA-Typen – ermittelt. HLA steht für das humane Leukozytenantigen-System: eine komplexe Gruppe menschlicher Gene, die für die Funktion des Immunsystems zentral sind.

Manche Gewebemerkmale kommen häufiger vor, andere seltener. "Patienten mit einem häufiger vorkommenden Gewebetyp haben bessere Chancen", sagt Barbara Pelzmann vom österreichischen Stammzell-Register. "Es gibt aber auch so seltene Gewebskombinationen, dass wir unter den 23 Millionen Spendern keinen passenden finden", erklärt die Ärztin.

Das österreichische Stammzell-Register bringt aktuell die Daten von 62.603 Spendern ein. Zugleich fungiert es – unter der ärztlichen Leitung von Gottfried Fischer und Geschäftsführung durch Bruno Novozsel – als Österreichische Knochenmarkspendezentrale.

Menschen, die im Register eingetragen sind, können für zwei Methoden der Stammzellgewinnung herangezogen werden: für die klassische Knochenmarksentnahme oder die sogenannte periphere Blutstammzellspende. Diese wird seit Mitte der 1990er Jahre praktiziert und hat die Knochenmarktransplantation heute weitgehend ersetzt. Doch vor allem bei erkrankten Kindern ist Knochenmark nach wie vor die bessere Therapie-Option.

Ausschließlich für den konkreten Bedarf

Wer sich als Spender registrieren lassen möchte, wird zuallererst auf seine Gewebemerkmale untersucht. Das Procedere dafür ist eine Blutabnahme mit anschließender DNA-Analyse der HLA-Typen. Die Daten werden in das Stammzell-Register eingespeist. Dann heißt es oft warten, denn Knochenmark oder Blutstammzellen werden nicht – wie das etwa bei der Blut- oder Plasmaspende der Fall ist – im Vorhinein, sondern ausschließlich im Bedarfsfall entnommen.

Nur 72 Stunden lang sind die Substanzen haltbar. In diesem Zeitraum können sie in speziellen Kühlboxen auf dem bestmöglichen und kürzesten Weg um die ganze Welt geschickt werden.

Die Suche nach Knochenmark oder Stammzellen für einen bestimmten Patienten beginnt mit der Recherche im internationalen Computer-Netzwerk. Anhand der Übereinstimmung der Gewebemerkmale wird der potenzielle Spender kontaktiert und zu einem ärztlichen Informationsgespräch geladen. Etwa vier Wochen im Vorhinein erfährt er, dass er gebraucht wird. Gemeinsam wird der bestmögliche Termin festgelegt.

Zur Sicherstellung der Spendetauglichkeit wird ihm erneut Blut für die DNA-Analyse der Gewebemerkmale entnommen. Sind diese kompatibel und der Spender ist gesund, verständigt das Stammzellregister den behandelnden Arzt des Patienten. Er entscheidet, ob der Empfänger Knochenmark oder Blutstammzellen bekommen soll und bereitet ihn darauf vor.

Knochenmarkspende in Vollnarkose

Am Beginn einer Knochenmarkentnahme steht eine internistische Untersuchung des Spenders zur Operationsfreigabe. Mit zwei Nächten Krankenhausaufenthalt muss gerechnet werden: vom Vorabend des Eingriffs bis nach der Visite am Tag danach.

Die Entnahme dauert etwa 30 Minuten und erfolgt in Vollnarkose. Mit Punktionsnadeln werden, abhängig vom Gewicht des Empfängers, zwischen 500 und 1.200 Milliliter Knochenmark aus dem hinteren Beckenkamm entnommen.

"Die Einstichstelle ist so gewählt, dass nichts verletzt werden kann", sagt Pelzmann. Manche Spender berichten beim Aufwachen aus der Narkose von einem dumpfen Schmerz im hinteren Bereich des Beckenknochens. Die Nadelstiche sind nach dem Eingriff eine Zeit lang zu sehen, es kann auch zu blauen Flecken kommen.

Das Knochenmark regeneriert sich rasch und ist binnen kurzer Zeit wieder komplett hergestellt. Komplikationen hat die Ärztin während ihrer langjährigen Tätigkeit im Wiener AKH noch nie erlebt. Das Risiko eines Narkosezwischenfalls definiert sie als "extrem gering", die Dauer der möglichen Nachwirkungen kurz.

Die Periphere Stammzellenspende

Die Periphere Stammzellenspende ist im Gegensatz zur Knochenmarkspende kein operativer Eingriff. Die Blutstammzellen stammen ebenfalls aus dem Knochenmark. Vier Tage vor der Entnahme muss sich der Spender morgens und abends mittels Subkutanspritze den Wachstumsfaktor G-CSF injizieren. Dieser bewirkt die Ausschüttung der blutbildenden Vorläuferzellen aus dem Knochenmark in die Blutbahn.

Am fünften Tag können die Zellen entnommen werden. Der Arzt legt in beide Armbeugen des Spenders einen venösen Zugang. Das Blut aus dem einen Arm wird im Zellseparator zentrifugiert, die Blutstammzellen separiert. Nach der Filterung werden die einzelnen Blutbestandteile wieder miteinander gemischt und das Blut über den anderen Arm zurückgeleitet. Als Nebenwirkungen der peripheren Stammzellenspende nennt Pelzmann mehr oder weniger ausgeprägte grippeähnliche Symptome, die durch die G-CSF-Injektionen verursacht werden.

Leben retten als Motivation

Bei den meisten Spendern treten die Nebenwirkungen vor der Tatsache, Leben zu retten, in den Hintergrund. "Es geht ums Helfen, egal für wen", zitiert Pelzmann die oftmals ausgesprochene Motivation seitens der Spender.

Die Spende von Knochenmark oder Stammzellen ist anonym und beruht auf freiwilliger Basis. "Kneifen kann der Spender bis zu dem Punkt, wo die Vorbereitung des Patienten beginnt", sagt die Ärztin. "Danach hat der Patient keine Chance mehr, dass er einen anderen Spender findet. Das kommunizieren wir auch."

Das Anliegen des nicht kommerziellen Stammzellenregisters ist es, möglichst viele junge, gesunde Menschen als Spender gewinnen zu können. Wer sich registrieren lassen möchte, muss zwischen 18 und 45 Jahre alt und gesund sein. Bis zum vollendeten 55. Lebensjahr bleibt man in der Datenbank registriert. Der Eingriff wird in mehreren Kliniken in Österreich durchgeführt. Die Knochenmarkspendezentrale kommt für sämtliche Kosten auf, die für den Spender entstehen.

Auch Personen, die kein Knochenmark, sondern nur periphere Stammzellen spenden möchten, sind willkommen. "Der Spender muss allerdings für alle Menschen zur Verfügung stehen, und nicht nur für Freunde und Bekannte", stellt Pelzmann klar. "Wenn man sich registrieren lässt, bringt das nur international etwas." (Eva Tinsobin, derStandard.at)