Neil Shicoff (als Calaf) an der Volksoper.

Foto: Pálffy

Wien - Faschingsscherze wären unangebracht, trotz der fantastischen Kostüme in der Volksopernproduktion aus der Ära Rudolf Berger - vielleicht der gelungensten aus dieser glücklosen Zeit. Denn dadurch, dass alle Personen in Puccinis Turandot in dieser Inszenierung von Renaud Doucet in Insektenkostümen stecken, wird nicht nur platter Exotismus klug vermieden, sondern die Bedrohlichkeit und Grausamkeit der Geschichte wie eine Naturgewalt eindringlich auf die Bühne gebracht.

Bei der Wiederaufnahme galt alle Aufmerksamkeit Neil Shicoff, der überhaupt zum ersten Mal am Währinger Gürtel auftrat und - natürlich - den Calaf sang. Besser gesagt, er verkörperte die Figur: Denn seine Darstellungskraft und volle Identifikation mit wie auch immer gearteten Gestalten - sei es im Stück, sei es in der Regie - ist ungebrochen. Gesanglich kann er das eigene Maß freilich nicht mehr immer voll und ganz erfüllen, macht diese Abstriche aber durch seine Präsenz fast durchgehend vergessen. Und so ließ er es vor allem im ersten Akt an nötiger Durchschlagskraft fehlen, ließ seine Fans auch anschließend noch mitzittern.

Er stemmte aber ein durchdringendes "Nessun dorma" auf die Rampe und ging so vollkommen in der Rolle auf, wie man es von ihm gewohnt ist. Jee Hye Han wurde auf dem Abendzettel ebenfalls als Hausdebütantin ausgewiesen - obwohl sie hier bereits vor gut zwei Jahren die Titelpartie in Madama Butterfly gab. Auch bei der wesentlich dramatischeren Partie der Turandot war die Koreanerin eine gute Wahl: Sie brillierte mit Wendigkeit und fokussierter Kraft ohne Schärfe und unkontrolliertes Tremolieren.

Und als Liù wuchs das Ensemblemitglied Kristiane Kaiser mit eindringlicher Wärme und feiner Phrasierung über sich hinaus. So wie die Sänger der kleineren Partien, darunter die köstlichen drei Minister (Günter Haumer, David Sitka und JunHo You), fügten sich auch Chor und Orchester perfekt ins Getriebe.

Dirigent Guido Mancusi sorgte für konzentrierte Klangfülle, wohldosierte Lyrik und hohe Präsenz fein abgestufter Farbwirkungen. Dass übrigens auf Italienisch gesungen wurde, ist nicht einfach nur ein weiterer Pluspunkt der Produktion, sondern die Bedingung für einen derart rundum geglückten Opernabend. (Daniel Ender, DER STANDARD, 3.3.2014)