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Was unterscheidet den Sturz des gewählten Präsidenten Janukowitsch von dem des gewählten ägyptischen Präsidenten Mohammed Morsi?

Fotos: Reuters/AP

Bezahlen werden für die Krim-Krise kurzfristig erst einmal die Menschen in Syrien. Genf II - Verhandlungen zwischen syrischer Opposition und syrischem Regime - ist erfolglos zu Ende gegangen. Und die Sinnhaftigkeit einer nächsten Runde ist durch die Eröffnung - oder besser, die Akutwerdung - einer neuen Front zwischen den USA und Russland infrage gestellt. Außer, es kommt zum großen Deal, wobei noch niemand weiß, wie dieser aussehen sollte.

Die syrischen Regimevertreter wollten sich in Genf nicht auf Gespräche über eine Transition, die zur Ablösung Bashar al-Assads führen sollte, einlassen: Sie stützten sich dabei nicht nur auf die Order aus Damaskus, sondern auch auf die russische Interpretation von Genf I. Ohne dass Moskau diese Meinung - dass laut Genf I nicht gesagt ist, dass Assad keine Rolle mehr spielen kann - ändert, wird sich auch Damaskus nicht bewegen. Für einige Beobachter sah es so aus, als ob sich die syrische Regimeposition in Genf proportional zu den Protesten in Kiew verhärtete. Wie auch immer: Druck auf Syrien aus Russland ist auch in unmittelbarer Zukunft nicht zu erwarten; nicht bevor die russischen Wünsche in der Ukraine berücksichtigt werden. Und im Uno-Sicherheitsrat wird das Follow-up der am 22. Februar verabschiedeten, ohnehin sehr regimeschonend gehaltenen Resolution 2139 noch schwieriger werden.

Im Nahen Osten wird das Verhältnis von russischer und US-amerikanischer beziehungsweise europäischer Politik meist als Nullsummenspiel gesehen: Weil Russland Syrien, wo es eigene strategische Interessen - und wie auf der Krim einen Militärhafen - hat, nicht freigeben will, habe der Westen versucht, sich dafür die Ukraine zu schnappen. Oder eben umgekehrt, je nachdem, ob man die USA oder Russland für imperialistisch hält.

Die Geschichte beginnt natürlich schon viel früher: spätestens mit der Invasion im Irak 2003, mit der die USA - laut dem US-kritischen Narrativ - vor allem verhindern wollten, dass Russland und China dort zu viel Einfluss bekommen. Dann kam der durch den syrischen Aufstand ausgelöste Versuch, Syrien dem westlichen Einflussgebiet einzuverleiben. Auch die "Widerstandsachse" von Iran, libanesischer Hisbollah und Assad stützt sich auf diese Theorie, wenngleich sich die Mitglieder selbst als die am meisten Geschädigten sehen. Bei den sunnitischen Arabern ist diese "Widerstandsachse" wiederum der "schiitische Halbmond", dem der Irak durch den Sturz Saddam Husseins zugeschlagen wurde.

Russland, bedrängt von EU und Nato im Westen, der Türkei (Nato!) in Zentralasien und dem Kaukasus sowie den USA im Nahen Osten, wo Moskau nur noch in Syrien einen Fuß in der Tür hat: Dementsprechend schnell nützte Moskau die US-ägyptische Verstimmung nach dem Sturz von Mohammed Morsi durch die Militärs im Juli 2013, als von den Amerikanern aus pragmatischen Gründen das Wort "Putsch" zwar nicht ausgesprochen, aber doch gedacht wurde. Die Wiederbelebung der ägyptisch-russischen Beziehungen, die seit der strategischen Westwendung von Anwar al-Sadat in den 1970er-Jahren darniederlagen, wurde jüngst durch ein großes Waffengeschäft zelebriert.

Nahöstliche US- und EU-Kritiker, besonders in Ägypten, beschäftigen sich auch mit der Frage, was den "Sieg der Zivilgesellschaft und Demokratie" in der Ukraine von dem, was 2013 in Ägypten geschah, unterscheidet. Beide, Mohammed Morsi und Wiktor Janukowitsch, waren gewählte Präsidenten; die das Land schädigende Amtsführung beider brachte Protestmassen auf die Straße, was zum Ende nicht nur ihrer Amtszeit, sondern der Regierung, des Systems, führte.

Aus westlicher Sicht ist die Antwort einfach: Der Unterschied ist die Involvierung des Militärs, wobei aber die ägyptische Mainstream-Antwort darauf sein wird, dass das Militär quasi im Auftrag der Zivilgesellschaft handelte.

Die Linien im Nahen Osten verlaufen aber nicht einfach entlang des alten Kalten Kriegs pro/kontra russisch oder amerikanisch, sondern sind komplizierter: In Ägypten ziehen Saudi-Arabien und Russland an einem Strang; im Syrien-Konflikt stehen sie auf scharf entgegengesetzten Fronten. Allerdings hat Russland da den Erfolg aufzuweisen - von dem leider auch Assad profitiert -, dass sich seine Sichtweise, dass die größte Gefahr in der Region nicht undemokratische Regime, sondern die Jihadisten darstellen, langsam durchsetzt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 3.3.2014)