Ein verlorener Faden steht für Zeitverlust, der rote der Ariadne - dem die Griechin Kyriaki eine Serie widmet - führt hingegen durch das Labyrinth, auch durch jenes der Krise.

Foto: Nitra Gallery

Dieser Tage schicken sich viele junge Griechen an zu emigrieren, Aliki Tsirliagkou hingegen kam - nach einem Master-Studiengang und ersten Erfahrungen als Freelance-Kuratorin - aus London zurück. Und während manche Galerien zusperren müssen, eröffnete sie eine neue. Nicht trotz, sondern wegen Griechenlands wirtschaftlichen Totalschadens, der den Freiraum für ihre nitra gallery erst ermöglichte.

Die wirtschaftliche Großwetterlage sei so stürmisch und ungewiss, beschreibt Aliki, dass Altbewährtes schlichtweg nicht mehr greife. Da könne man gleich seinen Traum verfolgen und sehen, ob er nicht am Ende vielleicht auch noch profitabel sei.

Ihre Mutter hatte mit einem Partner die Atrion Art Gallery in Thessaloniki aufgebaut, und achtzehn Jahre lang in der eleganten Tsimiski-Straße etablierte griechische Maler verkauft, in einer Preisklasse von durchschnittlich 5000 bis 8000 Euro.

Bis die Wirtschaftskrise Griechenland mit voller Wucht erfasste. Das ehemals gefragte Angebot fand keinen Absatz mehr, das einst lukrative Geschäft war es eben nicht mehr, die hohe Miete in der bekannten Einkaufsstraße wurde nun zur Last. Genau das, ist Tsirliagkou überzeugt, war ihre Chance. Ohne das Wegbrechen des Kunstmarkts hätte kein Anlass bestanden, das erfolgreiche Konzept der Galerie umzukrempeln.

Denn für die Krise, so Aliki, "hatte die Generation meiner Eltern kein Rezept".

Weitermachen wie bisher war keine Option, also wagte sie einen Neubeginn: Sie übernahm die Galerie, aus "Atrion" wurde "nitra", von der teuren Tsimiski- zog die Galerie in die günstigere Filippou-Straße in der Nähe des Forum Romanum, und das Angebot griechischer Malerei wurde um andere Medien sowie Künstler aus dem Ausland erweitert.

Faden der Ariadne

Eine kommerzielle Kunstgalerie ist es geblieben, aber das Geschäftsmodell ist ein anderes: Nicht alles, was jetzt gezeigt wird, muss sich auch verkaufen; Videoarbeiten und Installationen erweitern den Begriff dessen, was eine Galerie in Thessaloniki vertreiben kann.

Dabei ist die Nachfrage nach Kunst nicht völlig weggebrochen, aber sie hat sich verändert. Ein Beispiel liefert die griechische Malerin Kyriaki, von der die nitra gallery Anfang 2014 eine Serie ausgestellt und zu Preisen von 450 bis 4000 Euro samt und sonders verkauft hat: Kyriakis kleinformatige, gefühlige Ölbilder, die um das Thema von Ariadne kreisen, zeigen ein Mädchen beim Spielen, Entwirren, Sich-Verheddern in einem roten Faden, der sich durch alle Bilder des Zyklus zieht. Der Bezug zur Rat- und Hilflosigkeit, welche die Krise nach sich zieht, ist unmittelbar, während das kleine Format die Bilder erschwinglich macht.

So direkt auf die Krise reagieren vermutlich die wenigsten Künstler. Alexia Xafopoulou, die im Mai hier mit neuen, figurativen und kraftvollen Arbeiten präsentiert wird, meint dagegen, ihre Malerei habe sich bis jetzt nicht verändert. Aber: "Ich verwende Geld anders, also spare ich auch bei den Materialien, ich überlege genau, welche ich verwende. Allerdings hätte ich das vielleicht sowieso tun sollen ..."

Viele ihrer Landsleute, ist die Griechin überzeugt, seien hingegen nicht offen für Veränderungen: "Auf einmal wacht man auf und lebt in einer anderen Welt", erinnert sich Xafopoulou, "und insofern sei es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die Krise auch inhaltlich in der Kunst spiegelt." (Pepe Egger, Album, DER STANDARD, 1./2.3.2014)