"Sonne für die, die auf dem Lande weinen" (1957/1959) von Friedensreich Hundertwasser.

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Max Weilers "In den Raum geschrieben" (1958/59) .

Foto: F. Schachinger

Klosterneuburg - Umgeschrieben hat er die Kunstgeschichte nicht. Obwohl man sich angesichts der Geheimniskrämerei rund um die Eröffnung von made in austria im Museum Essl schon ein paar extravagantere Streiche erwartet hätte. Aber bei seinen persönlichen Schwergewichten der österreichischen Gegenwartskunst hält sich Karlheinz Essl eng an einen museal anerkannten Kanon.

Brandl, Brus, Export, Hollegha, Hundertwasser, Jungwirth, Kocherscheidt, Lassnig, Mikl, Nitsch, Prachensky, Rainer, Ringel, Scheibl, Weiler, West und Wurm. Das ist zwar wenig überraschend, jedoch mit siebzehn Positionen erstaunlich präzise und kompakt geraten: Statt sich angesichts von mehr als 9000 Sammlungswerken in einem Ausstellungsroman zu verlieren, hat er mit sicherer Hand eine intensive Kurzgeschichte verfasst. Und diese beginnt in der Landschaft.

Ein traditionelles Genre, dem diese Künstler unkonventionelle Bilder abrangen: Friedensreich Hundertwasser und Max Weiler. Und mit diesem ungewöhnlichen Dialog hat Essl doch für ein kleines "Aha!" gesorgt. Hier die labyrinthischen, intensivfarbigen Spiralen des Wieners, dort die oft luftigen, die Farben der Natur wiederholenden und im gleichen Jahrzehnt entstandenen Eitemperabilder des Tirolers.

Für den Unternehmer Essl ist es ein Gegenüber von "spiritueller Landschaftsbetrachtung Weilers" und "vegetativen Naturformen Hundertwassers". Allerdings könnte man, insbesondere wenn man an Hundertwassers Faszination für die fernöstliche Philosophie von Tao und Zen und das Allumfassende seiner Naturdarstellung denkt, diese Charakteristika auch einfach umdrehen.

Dann folgen bei Karlheinz Essl zwei, die stets die vorderen Plätze im österreichischen Kunstranking einnehmen: Maria Lassnig und Arnulf Rainer. Vor langer Zeit waren sie ein Liebespaar, erzählt Essl, der auf die Art hinweist, wie beide ihren Körper in Akten der Selbstentblößung auf die Leinwand bringen: Lassnig in ihren "Body Awareness"-Bildern, Rainer mit den brachial perfekt akzentuierten Grimassen der Face Farces -Serie. Die zeitliche Bandbreite der Rainer-Werke, die von 1951 bis 1986 reichen, ist beachtlich und beneidenswert. Darunter etwa J. C. als Blinder, bei dem Rainer Christus in aggressiver Geste die Augen ausgelöscht hat und Weiß und Schwarz wie die Dualität von Gut und Böse aufeinanderkrachen lässt.

Es folgt ein Raum der Maler, in dem die Gesten der Generation von Markus Prachensky, Josef Mikl und Wolfgang Hollegha auf die sphärischen Farboberflächen von Herbert Brandl und Hubert Scheibl treffen. Und auch Franz Ringel, Martha Jungwirth und Kurt Kocherscheidt wurden trotz Kontrasten zusammengespannt.

Spritzigkeit besitzt hingegen die Begegnung der Bildhauer Erwin Wurm und Franz West: Zwischen geschwollenen Autos und zerrinnenden Museen inspiriert die Besucher vor allem Wurms Big Psycho 10 (2010) zu exaltierten One-Minute-Fotoposen, steckt doch der nicht ganz Idealgewichtige den Kopf in die Hose. Gegen diese Breitbeinigkeit wirken die wie am Stahlstecken aufgespießten Köpfe und Papiermaché-Skulpturen Wests sehr grazil. Und in der 17-teiligen Bilderwand öffnet sich das ganze Westiversum. Das Ende hat sich Essl sakral gedacht und Hermann Nitschs Orgien-Mysterien-Kunst eine ganze Kapelle gewidmet. Dicht und nah kommt man hier Blut, Fleisch und Wein. Amen? (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 28.2.2014)