Bild nicht mehr verfügbar.

In der Krim-Hauptstadt Simferopol dirigiert ein russischer Offizier einen gepanzerten Mannschaftstransporter. Im Hafen Sewastopol liegt ein Großteil der russischen Schwarzmeerflotte.

Foto: AP/Lubimow

Kiew/Moskau - "Gemäß einer Anordnung des russischen Präsidenten wurden heute um 14 Uhr die Truppen des Wehrbezirks West und Einheiten, die sich auf diesem Territorium befinden, wie die Zweite Armee des Zentralen Wehrkreises und die Kommandostellen der Luft- und Raketenabwehr, der Luftlandetruppen und der strategischen Luftstreitkräfte, unangekündigt in Alarmbereitschaft versetzt", teilte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit. Die Aktion diene der Überprüfung der Einsatzbereitschaft und soll sich in zwei Etappen gliedern: Zunächst werde der Generalstab geprüft, in der zweiten Phase müssten sich die Truppen dann in einem viertägigen Militärmanöver beweisen, erklärte Schoigu.

Derartige unangekündigte Kontrollen gibt es erst seit einem Jahr wieder in der russischen Armee - nach etwa 20 Jahren Pause. Sie dienten der Aufrechterhaltung der Kampfbereitschaft der Streitkräfte, begründete Präsident Wladimir Putin dies damals.

An dem Manöver in Westrussland nehmen offiziellen Angaben zufolge mehr als 150.000 Soldaten und knapp 900 Militärfahrzeuge teil. Daneben sollen die Übung 90 Flugzeuge, 120 Hubschrauber und 80 Kriegsschiffe unterstützen.

Mögliche Machtdemonstration

Der Zeitpunkt des Manövers in Westrussland ruft Irritationen in Kiew hervor, zumal nur einen Tag vor der Mobilmachung der russische Sicherheitsrat unter Leitung Putins die Lage in der Ukraine erörterte. Das Manöver wird in der Ukraine als Machtdemonstration bewertet. Streit gibt es zudem um eine Delegation der russischen Duma auf der Krim, die den dortigen Bewohnern angeblich russische Pässe versprochen haben soll - was Delegationsleiter Leonid Sluzker später dementierte.

In einem offenen Brief warnten die drei ukrainischen Expräsidenten Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Wiktor Juschtschenko Russland vor einem Eingreifen in der Ukraine. "Russland, das die Bemühungen unserer internationalen Partner um eine politische Regelung des Konflikts stets Einmischung in die inneren Angelegenheiten genannt hat, greift nun selbst auf direkte Einmischung in das politische Leben der Krim zurück", kritisierten sie. Selbst Michail Tschetschetow, Vizefraktionschef der dem gestürzten Präsidenten Janukowitsch unterstehenden Partei der Regionen, forderte Moskau zu mehr Zurückhaltung auf.

Drohung mit Abfall der Krim

Streitpunkt ist vor allem die Halbinsel Krim, auf die Moskau schon seit Jahren schielt. Bereits 2008 soll Wladimir Putin laut einem Bericht der russischen Tageszeitung Kommersant bei einem Russland-Nato-Gipfel hinter verschlossenen Türen gewarnt haben, dass die Krim von der Ukraine abfallen werde, wenn das Land der westlichen Allianz beitrete. Die jetzigen antirussischen Entwicklungen in Kiew könnten Ähnliches bewirken.

So kam es am Mittwoch tatsächlich auf der Krim zu ersten ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen kiew- und moskau-treuen Demonstranten. Die beiden Gruppen trafen in Simferopol vor dem Parlament der Autonomen Republik aufeinander, das den künftigen Status der Halbinsel entscheiden sollte. Während die Abgeordneten drinnen die Entscheidung über eine Abspaltung der Krim von der Ukraine vertagten, prügelten sich draußen einige Hundert Menschen, berichteten lokale Medien.

20 Verletzte auf der Krim

Die Polizei konnte die Kontrahenten erst nach geraumer Zeit voneinander trennen. Etwa 20 Menschen wurden verletzt. In der Nähe des Parlaments wurde die Leiche eines Mannes gefunden. Nach Angaben der Behörden erlag er offenbar einem Herzinfarkt.

Die Krim gilt als Zentrum des Widerstands gegen die neue Regierung in Kiew. Viele Bewohner der mehrheitlich russischsprachigen Bevölkerung fürchten Diskriminierungen. Ihre Befürchtungen wurden verstärkt, nachdem die Rada in Kiew per Eilgesetz den Status des Russischen als Zweitsprache in den ost- und südukrainischen Regionen aufgehoben hat. Die Behörden auf der Krim verweigern Kiew teilweise die Loyalität. So wurde auf der Halbinsel der Befehl zur Auflösung der Polizeisondereinheit Berkut ignoriert. Die Berkut-Einheiten werden für den Tod zahlreicher Demonstranten in Kiew verantwortlich gemacht. (André Ballin, DER STANDARD, 27.2.2014)