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Mittels eines externen Sensors kann man Körperwerte wie Puls, Blutdruck und Körpertemperatur am Handy überwachen.

Foto: epa/ROLAND WEIHRAUCH

Die österreichische App Mysugr wiederum bietet einen Manager für Diabetes-Patienten.

Foto: mysugr

Vom digitalen Impfpass über den mobilen Diabetes-Manager bis zur Zahnputzhilfe und Fitnesstools wie Runtastic: Handy-Apps und Webdienste zum Thema Gesundheit boomen. Die Tools sollen beim Erstellen von Diagnosen, zur Überwachung und Optimierung von Therapien sowie zur Vernetzung der eigenen Gesundheitsdaten zum Einsatz kommen. Bei der Wiener Diskussionsreihe "twenty.twenty" diskutierten Gesundheitsexperten am Montag über Für und Wider, Möglichkeiten und Risiken von Gesundheits-Apps.

Viele neue Möglichkeiten

"Health-Apps bieten viele neue Möglichkeiten - nicht nur Patienten, sondern auch uns Medizinern", sagt Kai Sostmann, Kinderarzt sowie Leiter der Abteilung für Medizinische Hochschuldidaktik und E-Learning an der Berliner Charité. Allerdings könnten solche Apps nur Werkzeuge und Informations-Multiplikatoren sein, nie aber ein Ersatz für Ärzte. Im besten Fall könnten sie jedoch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient vereinfachen und den einen oder anderen Arztbesuch ersparen.

"Mit den neuen Apps wird der Patient zum Koproduzenten seiner Gesundheit - der Arzt ist nicht länger alleinige Instanz", sagt Andrea Fried, Leiterin der ARGE Selbsthilfe Österreich. Allerdings sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis, vor allem in puncto Datenschutz, derzeit noch unausgewogen. Auch sei der Bereich, in dem die Apps sinnvoll eingesetzt werden könnten, eng begrenzt: "Es ist die Frage, ob es uns wirklich gesünder macht, wenn wir noch mehr messen." Vielmehr plädiert sie fürs "Spüren statt Messen" - weil das Gefühl für die eigene Gesundheit meist doch aussagekräftiger sei als am Handy aufgezeichnete Pulskurven oder Bewegungsmuster.

Undurchschaubarer Wildwuchs

Derzeit gibt es mehr als 97.000 Gesundheits-Apps - "ein undurchschaubarer Wildwuchs", so Michael Ogertschnig, Gesundheitsmanagement-Experte an der Donau-Uni Krems. "Das Angebot ist unübersichtlich und schwankt enorm hinsichtlich Qualität und Verlässlichkeit. Eine Recherche kann die bewusste Vorbereitung auf den Arztbesuch unterstützen, diesen aber nicht ersetzen." Gesicherte und verlässliche Information gebe es noch kaum, viele dieser Self-Tracking-Apps seien bloße Spielerei.

Ein weiteres Problem: Weil das Internet-Nutzungsverhalten stark nach Alter und Bildungsstand differiert, stehe zu befürchten, dass nur gewisse Bevölkerungsschichten von den neuen Möglichkeiten profitieren - eine neue Zweiklassenmedizin könnte entstehen. Viele Ältere, die von chronischen Krankheiten betroffen sind, nutzen kaum Apps. Umgekehrt sind die meisten Smartphone-Nutzer jung und dementsprechend weniger von Gesundheitsthemen betroffen. Hier müssten Ärzte ansetzen, indem sie Patienten bei Bedarf verlässliche und für sie sinnvolle Apps empfehlen, so Sostmann - "Apps auf Rezept" also. Denn auch wenn extrem informierte Patienten eine bisher ungewohnte Herausforderung für Ärzte darstellen, würden am Ende meist beide Seiten davon profitieren.

Datenschutz problematisch

Auch die Frage nach dem Datenschutz steht noch im Raum. Die derzeit angebotenen Apps unterliegen keinen rechtlichen Regelungen - vor allem bei kostenlosen Apps ist meist unklar, ob und in welcher Weise die eingegebenen Daten weiterverwertet werden. Auch wenn es durchaus sinnvolle Verwertungsmöglichkeiten wie etwa das Beobachten von Grippeausbrüchen gibt, sei der bedeutende Großteil der Daten für die wissenschaftliche Forschung wertlos und lediglich für Marketingzwecke der Herstellerfirmen interessant, so Sostmann.

Damit ein Mindestmaß an Transparenz vorhanden ist, was mit den eingegebenen Daten geschieht, fordern die Experten einheitliche Standards und ein Gütesiegel unabhängiger Stellen. Das CE-Siegel gebe es etwa jetzt schon für manche Apps, diese könne man aber an zwei Händen abzählen, so Sostmann. Er plädiert dafür, dass Handy-Apps unter das Medizinproduktegesetz fallen sollten, um höchstmögliche Sicherheit für die Nutzer zu bieten. Vorläufig gilt daher auf jeden Fall: An app a day keeps no doctor away. (Florian Bayer, derStandard.at, 26.2.2014)