Bürgermeister Alexej Tschaly bei einer Kundgebung in Sewastopol am Dienstag

Foto: Andrew Lubimov

Kiew/Moskau - "Heldenstadt Sewastopol": Ein Gedenkstein an der Kremlmauer erinnert an den Widerstand der Einwohner Sewastopols gegen die Eroberer aus Hitlerdeutschland im Zweiten Weltkrieg. Deren Enkel und Urenkel fühlen sich erneut von Faschisten bedroht, diesmal aus Kiew. Separationsbestrebungen erstarken, nachdem die Rada in Kiew das Gesetz zur Gleichstellung der russischen Sprache gekippt hat. Er werde die Diskriminierung der mehrheitlich russischsprachigen Bevölkerung nicht zulassen, verspricht der neue Bürgermeister Alexej Tschaly (52). Der Unternehmer besitzt bereits, wovon viele Krim-Bewohner träumen: einen russischen Pass.

Delegation aus Moskau

Die russische Staatsduma hat eilig eine Delegation auf die Halbinsel entsandt, um der Krim Rückendeckung zu versichern. Örtliche Journalisten berichteten, die Abgeordneten hätten den Einwohnern die vereinfachte Vergabe russischer Pässe versprochen.

Ähnliche Signale kamen aus Moskau selbst: Kommunistenchef Gennadi Sjuganow wollte "keine Variante ausschließen, um den Landsleuten in der Ukraine" zu helfen. LDPR und Gerechtes Russland sprachen sich für eine vereinfachte Passvergabe aus. Leonid Sluzker, der Leiter der Delegation, dementierte aber, dass eine Entscheidung schon gefallen sei. "Wir müssen äußerst verantwortungsbewusst an jede Entscheidung herangehen", ein solcher Beschluss könne als Provokation in der Ukraine aufgefasst werden und zu weiterem Blutvergießen führen, warnte er.

Denn Kiew reagiert nervös auf Berichte über eine mögliche Passvergabe. Immerhin hat Russland auch vor Ausbruch des Südossetien-Kriegs massenhaft russische Pässe an Bewohner der von Georgien abtrünnigen Region verteilt. Arseni Jazenjuk, Fraktionschef der Vaterlandspartei, erinnerte daran, dass Russland Garantien der territorialen Unverletzlichkeit der Ukraine gegeben habe. Die Lage in Sewastopol sei sehr kompliziert: "Wir appellieren an unsere russischen Partner, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein." (André Ballin, DER STANDARD, 26.2.2014)