Potpourri aus individuellen Wohnwünschen: "so.vie.so" im neuen Sonnwendviertel.

Foto: Schindler

Kommenden Samstag feiert Margit ihren dritten Geburtstag. Alles paletti: Der Gemeinschaftsraum ist bereits reserviert. Über eine interne Website, die eigens für dieses Haus eingerichtet wurde, können die Bewohner in Kontakt treten und News über Geburtstage, Versammlungen und kollektive Kochevents austauschen. Denn das Projekt so.vie.so - die Abkürzung steht für "Sonnwendviertel solidarisch" - rückt nicht nur die Architektur mit ihren gelben und gelbgrünen Balkonen in den Vordergrund, sondern vor allem auch das soziale Miteinander.

"Nachbarschaft ist bei uns ein sehr wichtiges Thema", sagt Sarah Pfeiffer, die in diesem Haus eine 90-Quadratmeter-Wohnung mietet. "Mit einem normalen Neubau ist das nicht vergleichbar." Auch Johannes Steininger, seines Zeichens Elektrotechniker, freut sich über das intensive Miteinander: "Wir sind im November eingezogen und nehmen seitdem regelmäßig an Treffen und Versammlungen teil. Auf diese Weise können wir Probleme wie etwa Lärmbelästigung und Müllmanagement leichter lösen und müssen nicht wegen jeder Lappalie die Hausverwaltung kontaktieren. Das macht das Leben bequemer."

Partizipatives Projekt

Die Idee für diese ungewöhnliche Wohnhausanlage, hinter der der Bauträger BWS steckt, stammt von den Architekten. Gemeinsam mit dem Kommunikations- und Mediationsunternehmen Wohnbund Consult entwickelten Cornelia Schindler und Rudolf Szedenik (s&s Architekten) ein partizipatives Wohnprojekt (111 Wohnungen), bei dem sich die Bewohner schon in einem frühen Planungsstadium kennenlernten.

Noch bevor das Haus überhaupt in Bau war, konnten die ersten Mieterinnen und Mieter über Anzahl und Größe der Mehrzweckräume entscheiden. Während der Bauphase wurden bereits die ersten Arbeitsgruppen gebildet. Das Resultat dieser frühen Bemühungen wird heute vor allem in der Gemeinschaftsküche im siebten Stock sichtbar. Die Küche ist tipptopp eingerichtet. Handgeschriebene Aufkleber informieren über Lage von Gewürzen, Kochgeschirr und Besteck. Von der angrenzenden Dachterrasse sieht man hinüber bis zum neuen Hauptbahnhof.

"Mieterbetreuung und Vereinsbildung im Haus hat einen wesentlichen Vorteil", sagt Raimund Gutmann. "Dadurch übernehmen die Leute eine gewisse Eigenverantwortung und sind in der Lage, kleinere Probleme untereinander zu lösen." Bis Ende Mai ist Gutmann mit seinem Team regelmäßig vor Ort und moderiert die Versammlungen. Danach sind die Mieter auf sich alleine gestellt.

20.000 bis 50.000 Euro kostet so ein Begleitprozess, der auf den Aufbau und die Konsolidierung des nachbarschaftlichen Gefüges ausgerichtet ist - abhängig von Betreuungsdauer und Wohnungsanzahl. Letztendlich profitiert davon der Wohnbauträger: In Wohnbauten mit einer gut funktionierenden Nachbarschaft, so Gutmann, sei die Fluktuation deutlich geringer als in vergleichbaren Bauten ohne soziales Gefüge.

"Bitte so viel Balkon!"

so.vie.so lädt aber nicht nur zur Mitsprache in der Nachbarschaft ein, sondern auch bei der eigenen Wohnung. In der Planungsphase konnten sich die Bewohner Lage, Größe, Zimmeranzahl und sogar die Größe der Balkone selbst aussuchen - daher die wilde, chaotische Fassade. "Es war viel Arbeit, das zu koordinieren", sagt Architektin Cornelia Schindler. "Doch es hat sich ausgezahlt."

Das System des aktiven Mitplanens soll auch bei künftigen Projekten beibehalten werden. Mit einer Einschränkung: Beim Folgeprojekt "Zipp-Mix" in Simmering müssen die Mieter für die individuelle Planung eine Pauschale in der Höhe von 450 Euro entrichten. Schindler: "Das ist verkraftbar, sorgt aber dafür, dass die Mieter mit uns besser und effizienter arbeiten und nicht das Gefühl haben, es sei eh alles gratis." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 26.2.2014)