Künstlerische Darstellung der Verschmelzung zweier Vorläufergalaxien zur Zwerggalaxie Andromeda II.

Foto: Amorisco/Høst/ESO

Heidelberg - Wenn Galaxien aufeinandertreffen, kommt es zu Wechselwirkungen, die zur Verschmelzung in eine größere Galaxie führen können. Ein internationales Forscherteam, zu der auch Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomie gehört, hat nun das bisher kleinste Beispiel für den Überrest einer solchen Galaxienverschmelzung identifiziert: die Zwerggalaxie Andromeda II (AndII), ein Satellit der bekannten Andromeda-Galaxie. Wie die Astronomen aktuell im Fachblatt "Nature" berichten, konnten sie anhand der Sternbewegung in der Galaxie zwei unterschiedliche Gruppen ausfindig machen: die Sterne der ursprünglichen AndII-Zwerggalaxie und Sterne einer anderen Zwergalaxie, die mit AndII verschmolz.

Bewegungsanomalie

Die Entdeckung der kleinsten bekannten Galaxienverschmelzung begann mit einer Anomalie: US-Forscher unter der Leitung von Marla Geha hatten die Geschwindigkeiten von mehr als 700 Sternen in und um AndII gemessen. Die Zwerggalaxie, so zeigte sich dabei, dreht sich nicht nur sehr viel schneller als andere Galaxien desselben Typs. Sie dreht sich auch auf eine höchst ungewöhnliche Weise: Nicht analog zu einem Rad um die eigene Achse, sondern in einer Art Taumelbewegung senkrecht zur Symmetrieachse.

Diese Entdeckung veranlasste die Astronome dazu, die Daten an drei Kollegen weiterzureichen, die große Erfahrung im Modellieren der Sternbewegungen in Galaxien besitzen: Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomy, Wyn Evans von der Universität Cambridge, und Nicola Amorisco von der Universität Kopenhagen. Diese analysierten die Sterngeschwindigkeiten und fanden eine Erklärung für die anomale Rotation: Bei AndII scheint es sich um den Überrest einer Verschmelzung zweier noch kleinerer Galaxien zu handeln. Die ungewöhnliche Rotation stammt aus jener Phase, in der die kleinere der Zwerggalaxien die größere vor dem Verschmelzen umkreiste.

Sternengürtel um Zentralregionen

"Durch eine sorgfältige Untersuchung der Bewegungen von mehr als 700 Einzelsternen konnten wir zeigen, dass es sich um zwei unterschiedliche Gruppen von Sternen handelt", berichtet van de Ven: "Die Sterne der ursprünglichen Zwerggalaxie und Sterne in einem so genannten Sternstrom, einer Art Gürtel aus Sternen, der sich um die Zentralregionen von AndII wickelt."

Derartige Sternströme sind die charakteristischen Überreste einer kleineren Galaxie, die von einer größeren Galaxie eingefangen wurde. Solche Ströme wurden in der Vergangenheit bereits in der Milchstraße und in einer ganzen Reihe weiterer größerer Galaxien gefunden – aber nie in einer Galaxie mit einer Masse von weniger als einer Milliarde Sonnen. Die Masse von AndII ist deutlich geringer: Sie liegt bei nicht mehr als 10 Millionen Sonnen.

Hoffnung auf weitere Beobachtungen

"Im allgemein akzeptierten Modell der Galaxienentwicklung ist dies der Anfang der Wachstumskette: kleine Zwerggalaxien, die mit noch kleineren Zwergen verschmelzen. Aber bis jetzt hatte noch nie jemand ein Beispiel für eine Verschmelzung derart leichter Galaxien gefunden", fasst van de Ven zusammen.

Die Astronomen hoffen, dass die nächsten Entdeckungen dieser Art nicht lange auf sich warten lassen. "Wir wissen, dass andere Astronomen über ähnliche Beobachtungsdaten für Zwerggalaxien verfügen. Mit unserer Untersuchungsmethode sollte es möglich sein, auch in diesen anderen Daten nach Sternströmen zu suchen", so van de Ven. "Und vielleicht finden wir dabei ja sogar noch leichtere Verschmelzungsprodukte?" (red, derStandard.at, 2.3.2014)