Schladming - Vier bis zehn Prozent der Spitalsaufnahmen erfolgen wegen Arzneimittel-Nebenwirkungen. Je mehr verschiedene Medikamente eingenommen werden, desto höher ist das Risiko, stellten Experten bei der Wissenschaftlichen Fortbildungstagung der Apotheker in Schladming (bis 28. Februar) fest.

Vor allem Betagte und multimorbide Patienten bekommen vom Arzt oft zahlreiche Arzneimittel verschrieben. Daraus können nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Probleme entstehen oder aber noch mehr Medikamente auf der täglichen Einnahmeliste.

"Neues Krankheitsbild"

Häufig sind nämlich Symptome, die infolge der Neben- oder Wechselwirkungen entstehen sind der Grund, warum Patienten einen Arzt konsultieren. Diese werden als "neues Krankheitsbild" gesehen und dann noch zusätzlich behandelt, betont die deutsche Expertin Marion Schaefer (Charite/Berlin) bei der Apothekertagung in Schladming. Dabei sollte stattdessen besser zunächst abgeklärt werden, ob nicht die bereits bestehende Mehrfachmedikation die Ursache der "neuen" Beschwerden sei.

Problematisch ist beispielsweise die angeblich "sanfte" Wirkung von Johanniskraut-Phytotherapeutika bei Depressionen. Diese Präparate induzieren unter anderem die Aktivität des Enzyms Cytochrom-P-450 und des P-Glycoproteins, über welche verschiedene Arzneimittelwirkstoffe abgebaut werden.

Konzentration zu hoch oder zu niedrig

Das Ergebnis, so Pharmazeutin Christina Labut bei der Tagung: Substanzen wie Steroid-Hormone, das Transplantationsmedikament zur Immunsuppression Cyclosporin A, HIV-Aids-Proteasehemmer, in der Krebstherapie eingesetzte Zytostatika oder Cholesterinsenker werden schneller abgebaut oder es entstehen keine ausreichend hohen Blutspiegel. Auch Blutdruckmedikamente, Pilzmittel und Blutgerinnungshemmer können auf diese Weise ihren Effekt einbüßen. 

Klassisch in Sachen Wechselwirkungen zeigt sich auch der Grapefruit-Saft. Er hemmt ebenfalls ein Cytochrom-P-450-Enzym. Infolge dessen wird der Abbau von Arzneimittelwirkstoffen blockiert, die Konzentration im Blut steigt. Bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter blutdrucksenkender Medikamente wie Kalziumantagonisten kann das bis zu einem lebensgefährlichen Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen führen. Die bekannten Statin-Cholesterinsenker wiederum können durch den langsameren Abbau verstärkt Nebenwirkungen wie Muskelzell-Schäden auslösen.

Männer, welche Pillen gegen erektile Dysfunktion mit Wirkstoffen wie Sildenafil ("Viagra"), Tadalafil oder Vardenafil einnehmen, sollten ebenfalls auf das Glas Grapefruit-Saft verzichten. Rasanter Blutdruckabfall, Sehstörungen und schmerzhafte Dauererektionen können die Folge sein - ähnlich wie bei einer Überdosierung. (APA/red, derStandard.at, 24.2.2014)