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Von der Truppenreduktion könnte auch der US-Stützpunkt in Katar, den Chuck Hagel (Mi.) im Dezember besuchte, betroffen sein.

Foto: AP/Mark Wilson

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Die A-10 (wegen ihrer ungewöhnlichen Form "Warzenschwein" genannt) auf einem Archivbild

Foto: Reuters/Jose Manuel Ribeiro

Henry Stimson war Franklin D. Roosevelts Kriegsminister im Zweiten Weltkrieg. Aus aktuellem Anlass kramen die Realpolitiker der Regierung Barack Obamas seinen Zitatenschatz aus den Archiven, die Anmerkungen eines Lehrmeisters pragmatischen Denkens. Von Stimson stammt nämlich der schlichte Satz: "Amerika muss handeln in der Welt, wie sie ist; nicht in der Welt, die es sich wünscht." Auf Stimson beruft sich Chuck Hagel, wenn er einen Sparkurs verteidigt, der die Armee der Supermacht zur kleinsten seit 1940 werden lässt.

In der Welt des Jahres 2014, analysiert der Pentagon-Chef, brauchen die USA kein Heer mehr, das parallel zwei Landkriege führen kann. Der Einsatz im Irak ist Geschichte, der in Afghanistan geht zu Ende. Nach Einschätzung Hagels wird sich der Ausnahmefall so bald nicht wiederholen, werden die nächsten US-Präsidenten so schnell nicht wieder größere Truppenkontingente simultan in zwei Länder beordern.

"Nicht mehr leistbar"

Hinzu kommt ein enormer Spardruck. Nüchtern wie ein Kaufmann spricht der Minister von Militärbudgets, "die wir uns schlicht nicht mehr leisten können". Und so wird die Army ihre Personalstärke um etwa ein Siebtel reduzieren: von derzeit 520.000 auf maximal 450.000 Soldaten in fünf Jahren.

Die Luftwaffe soll 300 Kampfjets vom Typ A-10 verschrotten; Fluggerät, das konstruiert wurde, um im Ernstfall sowjetische Panzer in den Ebenen Mitteleuropas zu zerstören. Ein zweites markantes Symbol des Kalten Krieges, das Spionageflugzeug U-2, soll ebenfalls ausgemustert und durch Drohnen ersetzt werden.

Die Flotte behält zwar ihre elf Flugzeugträger, eine Modernisierung wird aber verschoben. Bei der Marineinfanterie, der schnellen Eingreiftruppe, wird der Rotstift behutsamer angesetzt: ein Personalminus von vier Prozent. Ausgebaut, von 66.000 auf 70.000 Mann, werden die Special Forces wie die Navy Seals, die Osama Bin Laden in Abbottabad töteten.

Für die Anhänger Hagels, eines Republikaners der Mitte, markiert die Wende einen Einschnitt. Ähnlich war es in den 1950ern nach dem Waffenstillstand in Korea, in den 1970ern nach dem Abzug aus Vietnam, in den 1990ern im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion. 1990 zählte das Heer noch 780.000 Soldaten. 2001 waren es nur noch 480.000, doch zehn Jahre darauf 566.000. Sieht man es im historischen Kontext, ist Hagels Kurskorrektur das Normale: ein Teil eines ständigen Auf und Ab.

Außerdem stützt sie Obamas wichtigste weltpolitische Prämisse: den Schwenk Richtung Asien. "Will sich das Weiße Haus wirklich Ostasien zuwenden, brauchen die USA weniger Bodentruppen", doziert Cindy Williams, Militärexpertin am Massachusetts Institute of Technology, im Magazin Foreign Affairs. Dort würden Konflikte eher auf See ausgetragen.

Streit im Kongress garantiert

Nur: Ohne grünes Licht des Kongresses bleibt alles Makulatur, was das Pentagon an Blaupausen liefert. Und als sicher gilt, dass Hagels Papier höchst kontroverse Debatten folgen werden. Da sind linke Demokraten, die ein größeres Sparpotenzial sehen, mit dem Argument, dass man noch immer viel mehr fürs Militär ausgebe als China und Russland zusammen. Da sind Politiker beider Parteien, die die Schließung von Kasernen in ihren Wahlkreisen fürchten. Da ist schließlich die Sicherheitsfraktion der Republikaner, die Amerikas Größe an der Macht seiner Streitkräfte misst. Einer ihrer Sprecher, Marco Rubio, 2016 ein Kandidat fürs Oval Office, stauchte seinen Parteifreund Hagel denn auch sofort zusammen; Er fürchte, "dass wir die Fehler wiederholen, die wir schon einmal gemacht haben, als wir auf Friedensdividenden hofften, die sich nie materialisierten."  (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 26.2.2014)