Für 480.000 Euro (netto) wurde Kokoschkas Venedig-Ansicht im Herbst in Wien versteigert. Die Fondation hat nun Anspruch auf 8650 Euro an Folgerechtsgebühr.

Foto: Im Kinsky

Bei Bonhams (London) wechselte Anfang Februar Alfons Waldes Gemälde "Almen im März" für netto (exkl. Aufgeld) 230.000 Pfund bzw. umgerechnet 279.082 Euro den Besitzer. Den Walde-Nachfahren stehen somit 7.290 Euro an Folgerechtsgebühr aus diesem Verkauf zu.

Foto: Bonhams

Der Mythos von Künstlern, die am Existenzminimum vorbeischrammen, während andere mit ihren Arbeiten das große Geld machen, ist ein von Befürwortern des Folgerechts gern zitierter. Gut 50 Prozent der Schaffenden und ihrer Nachfahren, so die Annahme der Brüsseler Beamten, würden von jedem Verkauf eines Kunstwerks mit einem gewissen Prozentsatz partizipieren. Ausgenommen davon sind Erst- (Galerien) sowie Privatverkäufe. Initiiert von Ländern wie Deutschland, die in den unterschiedlichen nationalen Bestimmungen eine Wettbewerbsverzerrung sahen, wurde das Folgerecht (als Teil des Urheberrechtsgesetzes) also harmonisiert.

Das Ergebnis: Statt einer Mehrheit profitiert nur das Establishment und im Vergleich zum gesamten Marktvolumen nur eine Minderheit. Bei lebenden Künstlern liegt der Anteil international nicht bei 50, sondern bei drei Prozent. Teils unterscheiden sich die Schwellenwerte: In Österreich liegt er bei 2500 Euro, in Großbritannien wiederum bei 1000 Euro und in Deutschland bei 400 Euro des Nettoverkaufspreises (exkl. MwSt.). Dazu kommt der administrative Aufwand für den Handel, einerlei, ob das Kunstwerk verkauft wird oder nicht. Und bisweilen werden die Richtlinien in der EU auch noch unterschiedlich interpretiert, etwa im Bereich Design.

2013: 640.000 Euro

Hierzulande erfolgte die Einführung in zwei Etappen: 2006 für lebende Künstler und 2012 in erweiterter Form, die Erben bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers "Tantiemen" beschert. Deren Höhe ist gestaffelt, ab vier Prozent von den ersten 50.000 Euro und höchstens 12.500 Euro je Kunstwerk und Besitzerwechsel. Mit Ausnahme von Frankreich hat dies in der Auktionsbranche stets der Käufer zu berappen.

In Österreich wird diese Vergütung an die Künstler und deren Nachfahren abgeführt, so sie nicht Mitglied der "Bildrecht" sind. Deren Bilanz 2013? Die der Verwertungsgesellschaft überwiesenen Beträge summierten sich auf 640.000 Euro, beziffert Geschäftsführer Günter Schönberger. Der Anteil der Auktionshäuser lag mit 80 Prozent signifikant höher als der des Kunsthandels. Weil die Geschäfte letzterer Gruppierung weniger transparent abgewickelt werden? Eine Grauzone, bestätigt Schönberger, vielleicht auch nur ein Mangel an Information.

97 Prozent dieser Einnahmen wurden abzüglich einer Bearbeitungsgebühr (zehn Prozent) an etwa 400 Begünstigte ausbezahlt. Und fallweise kommen hierbei stattliche Summen zustande, wie das Beispiel Alfons Walde zeigt. Zahlen will Schönberger aus Datenschutzgründen nicht nennen, nur so viel, 95 Prozent der Gebühren kamen über Auktionshäuser, fünf Prozent über den Kunsthandel. Letzteres verwundert, denn der leicht bekömmliche Postkartenstil und Wiedererkennungswert seiner Arbeiten ist derart beliebt, dass Waldes bei Kunstmessen als Bestseller gelten. Im Auktionsbereich lässt sich das über Kunstpreisdatenbanken ermitteln. Demnach summierten sich die Walde-Tantiemen seit 2012 auf fast 154.000 Euro. Ein netter Nebenverdienst für seine Nachfahren, keine Frage.

Im Vergleich dazu addierten sich die Folgerechtseinnahmen für die international stärker gefragten Werke Oskar Kokoschkas im gleichen Zeitraum "nur" auf etwa 86.600 Euro. Das Interessante in Sachen Kokoschka? Wer Ansprüche hat, war bislang nicht geklärt. Dabei hoben die Auktionshäuser seit 2012, der gesetzlichen Regelung entsprechend, Gebühren ein, die, laut Standard-Recherchen, aber nur teils an Erbberechtigte auch ausbezahlt wurden.

Kokoschka (k)ein Einzelfall

In England wurden diese (rd. 42.600 Euro) an die nationale Verwertungsgesellschaft und von dort wiederum an die Schweizer Verwertungsgesellschaft (Prolitteris) abgeführt. Denn die Werknutzungsrechte hatte Olda, die Witwe des britisch-österreichischen Staatsbürgers, testamentarisch der Fondation Oskar Kokoschka (Vevey, CH) vermacht.

In der Schweiz hatte der Bundesrat die Einführung eines Folgerechts abgelehnt, weshalb sich die Fondation mit diesem Thema bisher nicht beschäftigt haben dürfte und von sich aus nicht aktiv wurde, wie eine aktuelle Anfrage ergab. Die Verwertungsgesellschaften in Deutschland und Österreich nahmen bislang nur deren Reproduktionsrechte (Katalogabbildungen etc.) wahr.

Dort sah sich keiner veranlasst, aktiv zu werden, ebenso wenig recherchierten die zur Einhebung verpflichteten Vertreter des Kunsthandels. Allein über Versteigerungen fielen in Deutschland (ca. 10.700 Euro) und Österreich (rd. 33.000 Euro) seit Anfang 2012 Vergütungen in der Höhe von 43.700 Euro an. Wo die verblieben? In Deutschland bei der Verwertungsgesellschaft.

Hierzulande bei den Auktionshäusern: Im Kinsky bestätigt das und erklärt in solchen Fällen, die Abgabe treuhänderisch bis zu drei Jahre lang auf einem Konto zu verwahren. Sollten in diesem Zeitraum keine Ansprüche anfallen, bekämen Käufer diesen Betrag zurück.

Aus dem Dorotheum war lediglich zu erfahren, dass die Gebühren eingehoben und "an Verwertungsgesellschaften oder über direkte Verträge" abgeführt werden. Über Einzelfälle - am Beispiel des bislang ungeklärten Falls Kokoschka - sei man nicht willens, Auskunft zu geben. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 22.2.2014)