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Kinect für Xbox One hat viele Funktionen, das "Killer-Feature" wurde bislang aber noch nicht gefunden.

Foto: REUTERS/Nick Adams

Mit Kinect wollte Microsoft seiner neuen Konsole Xbox One DAS Unterscheidungsmerkmal zu konkurrierenden Systemen verleihen. Während Nintendo auf einen Tablet-Controller setzt und Sony auf eine klassische Spielkonsole, sah und sieht der Redmonder Konzern die sprach- und bewegungsgesteuerte Multimediabedienung als entscheidendes Kaufargument. Man war von Beginn an so davon überzeugt, dass Konsumenten die Vorzüge dieser neuen Interface-Technologie schätzen würden, dass man Kinect und die Sprachbedienung von TV- und Medienanwendungen nicht nur ins Zentrum der Erstpräsentation der Xbox One stellte, sondern Kinect auch zum fixen Bestandteil der Angebots machte.

Die Xbox One ist seit dem Marktstart vergangenen November daher nur mit Kinect zu haben. Ein Alleinstellungsmerkmal, das die Konsole 100 Euro teurer macht, als die direkte Mitbewerberin PlayStation 4. Ein Preis, der sich bislang noch nicht bezahlt macht, wie immer mehr Branchenstimmen meinen. Während sich sowohl PlayStation 4 als auch Xbox One im Vergleich zu ihren Vorgängern deutlich schneller verkaufen (unter anderem auch weil zum Start auch mehr Stückzahlen produziert werden konnten), zeigt der Trend aktuell klar in Richtung günstigerer PS4. Also wird der Ruf nach einer billigeren Xbox One ohne Sensorleiste immer lauter.

Die Preisfrage

Eine Forderung, der naheliegend ist, weil die jetzige Situation suggeriert, dass durch eine Preissenkung automatisch die potenzielle Zielgruppe erweitert wird. Und das stimmt auch zu einem gewissen Grad. Doch die Entkoppelung von Kinect würde im gleichen Schritt bedeuten, dass die Xbox One ihr Alleinstellungsmerkmal verliert und Microsoft zwar eine günstigere Konsole überbleibt, die aber – überspitzt formuliert – wie eine PS4 nur mit etwas schwächerer Hardware wäre. Ob sich dadurch Microsofts Wettbewerbschancen langfristig deutlich verbessern würden, ist fraglich.

Microsofts Problem ist nicht der höhere Preis. Microsofts Problem ist, dass man viele Konsumenten, die nun lieber zur PS4 greifen, bisher nicht davon überzeugen konnte, dass Kinect den höheren Preis wert ist.

Nice to have

Microsoft nahm mit der Lancierung Kinects an, dass allein die Erweiterung der Bedienungsmöglichkeiten genügend Mehrwert bieten würde, um die Kunden zu überzeugen. Eine Annahme, die Xbox-Spielechef Phil Spencer im Interview mit dem GameStandard vergangenes Jahr sehr schön schilderte: "Ich glaube, dass sich Kinect zur selbstverständlichen Methode entwickeln wird, wie man seinen Fernseher bedient. Über Sprachbefehle und einfache Gesten. Ich denke nicht, dass es auf die eine große Anwendung ankommen wird. Weil Kinect immer da ist, ist es für mich die natürliche Art und Weise geworden, meine Multimediasysteme zu nutzen. Es soll nicht auf eine Anwendung ankommen, sondern ein fester Bestandteil von allem werden."

Eine Annahme, die drei Monate nach dem Marktstart der Xbox One nun vielfach durch Nutzerrückmeldungen über Youtube oder in Branchenforen widerlegt wird. Es gibt definitiv User, die ihre Konsole sehr gerne per Sprache oder Gesten bedienen, doch für die meisten Anwender ist es nur ein Feature, das schön ist, wenn man es hat, aber auf das man auch verzichten kann oder sogar will.

Der heilige Gral

Die Lösung Microsofts Problems ist damit viel komplexer, als eine bloße Preisreduktion. Wenn die Konsolensteuerung per Sprache oder Gesten doch nicht das heiß erwartete Must-Have für Konsumenten ist, muss man sich zurück an den Zeichentisch setzen und sich neuerlich auf die Suche nach dem viel besagten Killer-Feature machen. Es fehlt das eine große Spiel oder die eine unverzichtbare Anwendung, für die man Kinect und die Xbox One zu jedem Preis haben will.

Ironischer Weise nahm Spencer diesen Gedanken bereits im damaligen Gespräch vorweg, wenngleich er das Gegenteil sagen wollte: "Natürlich wäre es toll, wenn es ein Spiel gäbe, das alle Menschen auf diesem Planeten spielen wollen. Aber das ist ein wenig wie der heilige Gral. Auch die Wii auf 'Wii Sports' zu reduzieren, würde den anderen Hits wie 'Zelda' und 'Mario Kart' nicht gerecht. Es geht mehr um Konsistenz, als um ein herausragendes Erlebnis."

Keine Argumente

Und genau das ist der Unterschied: Die Wii hatte natürlich auch ihr "Zelda" oder "Mario Kart", genauso wie die Xbox One ihr "Halo" haben wird. Doch die Wii hatte mit "Wii Sports" von Anfang an das schlagende Argument, weshalb die neue Art der Bewegungssteuerung jeder ausprobieren sollte. Kein Mensch kaufte sich die Wii nur deshalb, um den neuen Controller zu testen. Nein, die Wii wurde gekauft, weil jeder einmal auf diese neue Art und Weise auf dem Fernseher Tennisspielen oder Bowlen wollte. Ohne "Wii Sports" wäre die Wii nie in dieser Art durchgestartet.

Microsoft fehlt dieser heilige Gral und zur Zeit ist kein zwingendes Spiel und keine zwingende Software in Aussicht, die das Gegenteil suggerieren. Hinzu kommt, dass das Gros der Dritthersteller bis auf vereinzelte Tanz- und Fitnessspiele mittlerweile einen weiten Bogen um exklusive Produktionen für Kinect und andere Motion-Controller gemacht haben – die Misserfolge der vergangenen Generation stecken noch tief im Gedächtnis der Sales-Abteilungen. Viel Geld und Zeit wird daher nicht in die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten gesteckt, wodurch maximal einzelne plattformspezifische Features integriert werden. Ein Umstand, der Kinect genauso betrifft, wie den Tablet-Controller der Wii U und die Kamera der PS4. Es wird deshalb wohl an Microsoft selbst liegen, die überzeugenden Argumente für Kinect aus dem Ärmel zu ziehen. Und wurde der heilige Gral einmal gefunden, werden die Konsumenten auch bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 22.2.2014)