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Facebook verleibt sich den Nachrichtendienst WhatsApp ein. Damit will sich das Netzwerk hohes Wachstum einkaufen.

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Menlo Park / Wien - "Niemand in der Geschichte der Menschheit hat jemals etwas Derartiges gemacht." Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich in der Telefonkonferenz mit Investoren von seiner selbstsicheren Seite gezeigt. Die Übernahme des SMS- und Messagingdienst WhatsApp um 19 Milliarden Dollar sei die richtige Strategie für das soziale Netzwerk. Das extrem rasche Wachstum von WhatsApp (das gerade einmal fünf Jahre alte Start-up hat 450 Millionen Nutzer) sei ohne Beispiel, so Zuckerberg.

Auch der jüngste Boom der Internetaktien ist - fast - ohne Präzedenzfall. Seit der Dotcom-Blase 1999/2000, als Anleger Milliarden mit dem neuen Markt vernichtet hatten, ist der Technologiesektor nicht mehr so dynamisch in ein Jahr gestartet. Seit Jahresbeginn sind 49,9 Milliarden Dollar an Fusionen und Übernahmen in der Branche über die Bühne gegangen, das zeigen Daten von Dealogic. Zuletzt waren es zum Höhepunkt der Interneteuphorie im Jahr 2000 so viel. Auch heute sind Investoren euphorisch. Eine Umfrage der Bank of America Merrill Lynch vom Dienstag zeigt, dass bei professionellen Anlegern wie Pensionsfonds "Technologie bei weitem der beliebteste Sektor" ist.

Teures Aktien-Shopping

Aswath Damodaran, Finanz-Professor an der New York University, etwa spricht von einer "Übertreibung" bei Social-Media-Aktien. Der Marktwert von Facebook liegt beim 40-Fachen des Gewinns, mehr als doppelt so viel wie bei der durchschnittlichen Aktie im US-Leitindex S&P 500. Andere Analysten wie Marc Faber sprechen daher von einer Blase - einer Situation, in der die Unternehmen an der Börse viel höher bewertet werden, als sie die Gewinne rechtfertigen würden.

Angefeuert werden die Milliardendeals auch von Facebook. Leopold Salcher, Technologie-Analyst der Raiffeisen Bank International, hält die Übernahme dabei für sehr teuer: "Facebook kauft zu sehr stolzen Preisen." Im Falle von WhatsApp zahlt das soziale Netzwerk knapp 36 Dollar pro Nutzer.

Zum Vergleich: Die Telefon-App Viber wurde vergangene Woche um 900 Mio. Dollar vom japanischen Online-Händler Rakuten übernommen. Der Preis pro Nutzer liegt bei diesem Deal gerade einmal bei drei Dollar, weniger als ein Zehntel vom Facebook-Deal. Medienberichten zufolge teilt auch der Internet-Gigant Google nur bedingt die rosige Einschätzung der Gewinnaussichten von WhatsApp. Google soll "nur" zehn Milliarden Dollar für WhatsApp geboten haben, knapp die Hälfte.

Analysten sehen in der Bewertung von sozialen Netzwerken eine riesige Wette auf die Zukunft. Die derzeit vor allem durch Werbung erzielten Gewinne rechtfertigen den Aktienkurs von Facebook nicht. Wie Zuckerberg mit WhatsApp Geld machen will, hat er noch nicht gesagt. Vorerst soll der Dienst autonom weiter laufen. Im Unterschied zum sozialen Netzwerk wird auf WhatsApp aber keine Werbung eingeblendet. In den ersten zwölf Monaten kann man den Dienst kostenlos nutzen, danach fällt eine Gebühr von einem Dollar an. Bleibt das Geschäftsmodell bestehen, lässt sich der Kaufpreis kaum rechtfertigen.

Die Aktionäre von Facebook haben bei der Übernahme auch nicht "Gefällt mir!" gesagt. Die Aktie des sozialen Netzwerks ist nach der Ankündigung des Zukaufs um drei Prozent gefallen. Aber auch Facebook selbst sichert sich ab, überweist nur vier Milliarden des Deals in Cash. Der Rest des Betrags fließt in Form von Facebook-Aktien. Sollte der Kurs der Aktien früher oder später fallen, wie das manche Analysten erwarten, dann würden die Besitzer von WhatsApp auch automatisch weniger in der Tasche haben.

Am Donnerstag machte indessen ein Tweet des WhatsApp-Mitgründers Brian Acton die Runde. Im August 2009 schrieb er: "Facebook will mich nicht. Ich freue mich auf das nächste Abenteuer." Er hatte sich beim Internet-Riesen beworben, wurde aber abgelehnt. Das nächste Abenteuer sollte WhatsApp werden, das er zusammen mit Jan Koum gründete. Gut drei Jahre später arbeitet Acton nun doch für das soziale Netzwerk. Facebook hätte ihn damals für ein paar Milliarden weniger an Bord holen können. (Andreas Sator, Lukas Sustala, DER STANDARD, 21.2.2014)